Ob sich zwei Marken oder zwei Institutionen verbünden, ob Medienpartner an Marken andocken und sich zu einem gemeinsamen Kommunikationszweck zusammenschließen – Cross Marketing-Aktivitäten sollten immer die jeweils spezifischen Stärken der Partner zum Nutzen der Kunden verbinden.
Interview mit Hans-Ulrich Cyriax, erschienen in „Cross-Marketing“, Mai 2007
Herr Cyriax, beschreiben Sie uns bitte in einem Satz, was die Schwerpunkte Ihrer Beratung sind?
Ich beschäftige mich mit der Entwicklung und dem Management von Marken und Identitäten und begleite Wachstums- und Veränderungsprozesse. Ziel ist es, in der gesamten Wertschöpfungskette einen messbaren Beitrag zur Steigerung des Unternehmens- und Markenwerts zu schaffen.
Welche Rolle nehmen Sie gegenüber Ihren Kunden in punkto Cross-Marketing ein?
Eindeutig die des strategischen Beraters. Denn im Zentrum von Cross-Marketing sollten immer die Bedürfnisse und Ziele der Kunden stehen. Das wird oft vergessen, wenn nach einem passenden Partner gesucht wird.
Welches Verständnis von Markenmanagement und Marketing haben Sie?
Um eine Marke erfolgreich zu führen, ist ein vernetztes und an den Unternehmenszielen ausgerichtetes Markenmanagement gefragt, dass alle Aspekte und Dimensionen der Markenidentität berücksichtigt, dass an den Maßgaben von Relevanz und Effizienz ausgerichtet ist und letztlich tatsächlichen Mehrwert für die Marke schafft. Markenmanagement ist zwingend notwendig, um gutes Marketing betreiben zu können. In dem Fachbegriff steckt das Wort Markt. Marketing bedeutet demnach „Umgang mit Märkten“ und umfasst alles, was den Absatz fördert. Es bezeichnet jedes unternehmerische Planen und Handeln, das sich am Markt orientiert. Um Marketing zu betreiben, bedarf es der Fähigkeit genauer Beobachtung. Die beste Methode, um relevante Marketingmaßnahmen zu entwickeln besteht darin, sich in die Köpfe der Kunden hineinzuversetzen. Der Leitgedanke des Marketing lautet: Der Kunde ist König! Marketing muss sich daher bei allem, was im Unternehmen geschieht, mit zwei zentralen Fragen auseinandersetzen: Wo liegt der Nutzen für den Kunden? Wo liegt der Nutzen für das Unternehmen?
Wo würden Sie Cross-Marketing in diesem Verständnis einordnen?
Cross Marketing zu deutsch Kooperationsmarketing, ist ein strategisches Marketinginstrument. Dabei kommen Partner zusammen, die sich gegenseitig befruchten wollen und im Idealfall einen Mehrwert schaffen. Ein gelungenes Beispiel ist die Zusammenarbeit vom Suhrkamp Verlag und Faber Castell. Viele Schriftsteller des Verlagsschreiben ihre Bücher mit den exklusiven (Blei-)Stiften von Faber Castell. Grund genug, das hohe Renommee beider Firmen dort gemeinsam zu präsentieren, wo die Themen Schreiben und Lesen eine sinnvolle Symbiose eingehen. So wurde das 50 Jubiläum des Suhrkamp Verlags zum „Cross Referencing“ genutzt, um die jeweiligen Zielgruppen auf höchstem Niveau anzusprechen. So geschehen auch in der Cross-Marketing-Partnerschaft zwischen der führenden Dessous-Marke Chantelle und der Traditionsmarke Lancome und ihrem Erfolgsduft Tresor. Beide Produkte werden auf der Haut getragen, kommen aus Paris und verkörpern die totale Sinnlichkeit. Bei der Umsetzung des Cross-Marketing-Konzepts war es das Ziel, einen hohen Image- und Aufmerksamkeitstransfer zu erzielen und für beide Produkte wechselseitige Kaufanreize zu schaffen. So wurden Chantelle-Kundinnen mit Lancome-Duftproben während der Anprobe verwöhnt. Die Aktion wurde über Anzeigen, Plakate und PR bekannt gemacht. In 300 Top Chantelle- Dessous-Fachgeschäften in Ballungsgebieten wurden Hinweise auf die Top 300 Lancome Parfümerien in direkter Nähe gegeben und umgekehrt. Beide Marken konnten sich so bei ihrem Zielgruppen profilieren und beide Fachhändler-Gruppen wurden gegenseitig aktiviert.
Ob sich zwei Marken oder zwei Institutionen verbünden, ob Medienpartner an Marken andocken und sich zu einem gemeinsamen Kommunikationszweck zusammenschließen – Cross Marketing-Aktivitäten sollten immer die jeweils spezifischen Stärken der Partner zum Nutzen der Kunden verbinden. Im Sinne eines ganzheitlichen Markenmanagementverständnisses sollten sich deshalb die Positionierungen beider Partner sinnvoll ergänzen. Die Leistungen der Partner bieten im Ergebnis dann einen unerwarteten Mehrwert nach dem Motto: Eins plus eins gleich drei.
Die derzeit aufkommende Strategie-Diskussion wird geprägt durch Bücher, die zum Erobern blauer Ozeane aufrufen oder auf die Option des Wachstums mit den Stärken externer Partner verweisen, um Risiken zu minimieren oder Ertragschancen zu realisieren – was halten Sie davon in Bezug auf das Markenmanagement?
Die Gründe für die rasant zunehmende Bedeutung von Cross Marketing sind mannigfaltig: Marketing-Budgets sollen effizienter genutzt werden, der Vertrieb soll effektiver und preiswerter angekurbelt werden, neue Kundengruppen sollen angesprochen werden. Meiner Ansicht nach wird jedoch die Bedeutung des Partnermarketings in Bezug auf Wachstumsstrategien häufig überschätzt. Denn Marken verfügen zwar über ein hohes Maß an Gestaltkraft, sie besitzen allerdings auch eine große Eigendynamik. Wie schon Hans Domizlaff, der »Urvater« des deutschen Markenwesens feststellte, ist es selten eine »mechanische Rechnung, die zu guten Markenschöpfungen führt, sondern ein durch Selbsterziehung gewonnenes Einfühlungsvermögen«, durch welches starke »Markengebilde« ins Leben gerufen und am Leben gehalten werden.
Gerade bei Cross Marketing-Aktivitäten bedarf es deshalb einer »starken Hand« im Markenmanagement. Dies gilt erst recht in einem Umfeld, welches von elementaren Herausforderungen wie etwa der zunehmenden Dynamisierung der Märkte gekennzeichnet ist. Cross Marketing braucht deshalb nicht etwa weniger Einflussnahme durch das Management, sondern mehr davon. Das heißt: Führung, Management, Steuerung.
Welche markentechnischen Optionen sehen Sie, Cross-Marketing Strategien umzusetzen?
Wenn zwei unterschiedliche Marken eine Allianz eingehen, so bezeichnet man diese Strategie in der Marketing-Fachsprache als Co-Branding. Sowohl Produkt- als auch Unternehmensmarken bietet sich damit die strategische Option der systematischen Markierung gemeinsamer Leistungen. Ein Beispiel für Co-Branding auf Produktmarkenebene ist etwa Langnese, die mit Milka ein gemeinsames Eis auf den Markt gebracht haben. Auf Unternehmensebene werden Co-Branding Strategien häufig zur Markierung von Gemeinschaftsunternehmen eingesetzt. Beispielsweise gründeten Sony und Ericsson das 50:50-Joint Venture Sony Ericsson Mobile Communications. Gemeinsam verfolgen beide Unternehmen die Mission, Sony Ericsson zur attraktivsten und innovativsten Weltmarke in der Mobiltelefonbrache aufzubauen. Co-Branding ist damit eine echte Alternative zum klassischen Markentransfer oder zum Aufbau einer Neumarke. Allerdings ist der Erfolg einer Co-Branding Strategie kein Selbstläufer. Vielmehr müssen eine Reihe kritischer Erfolgsfaktoren beachtet werden. Dabei ist der so genannte ‚Fit’ zwischen den Marken entscheidend. Das heißt, der Kunde sollte subjektiv einen Zusammenhang zwischen den beiden Marken erkennen und diesen positiv beurteilen. Dieser kann sich begründen durch eine emotionale Nähe beider Marken, sich ergänzende Leistungsmerkmale oder vergleichbare Preispositionierungen. Darüber hinaus stellt Co-Branding auch für die Organisation des Markenmanagements eine erhebliche Herausforderung dar. Insbesondere die Kompatibilität der Unternehmenskulturen und Organisationsstrukturen hängt davon ab, ob die Zusammenarbeit für beide Partner eine Win-Win-Situation wird.
Die Ziele des Cross-Marketing leiten sich aus den übergeordneten Marketingzielen ab. Wie geht man aus Ihrer Erfahrung nach zunächst bei der Definition der Marketingziele vor und wie stellt man deren Operationalisierung sicher?
Im Kern jeder Marketingkonzeption sollte meiner Ansicht nach die Positionierungsstrategie stehen. Sie ist die umfassende Beschreibung der Identität eines Unternehmen oder einer Organisation. Sie definiert nach innen die strategischen Ziele und die Maßnahmen zu deren Umsetzung sowie nach außen die wesentlichen Differenzierungsfaktoren, den Kundennutzen und das Leistungsversprechen. Damit wird die Positionierung zur Grundlage, um Veränderungen innerhalb und außerhalb des Unternehmens zu vermitteln und zu managen. Sie bietet sowohl Mitarbeitern, als auch Kunden und Shareholdern eine klare Orientierungs- und Handlungsbasis.
Die Relevanz der Positionierungsstrategie erweist sich im Alltag. Dazu ist zu definieren, welche Aspekte die externe Markenwahrnehmung beeinflussen und worin der individuelle Beitrag jeder Führungskraft und jedes Mitarbeiters zur Umsetzung des Leistungsversprechens liegt.
Der Prozess zur Umsetzung einer Positionierungsstrategie ist in der Regel ein unternehmenskultureller Veränderungsprozess. Zentrales Element ist dabei die Befähigung der Führungskräfte und Mitarbeiter, das Leistungsversprechen gegenüber dem Kunden einlösen zu können. Ziel ist es, über das Mitarbeiterverhalten konsistente und differenzierende Markenerlebnisse zu schaffen und die Kundenzufriedenheit signifikant zu verbessern. Verbindlich, glaubhaft und messbar wird die Positionierungsstrategie für Mitarbeiter und Kunden über operative Standards wie beispielsweise Qualitäts-, Führungs- und Kommunikationsstandards
Wie sieht so ein kultureller Veränderungsprozess konkret aus und welchen Stellenwert nehmen dabei die von Ihnen erwähnten operativen Standards ein?
Change Management ist heute vor allem eine Führungsaufgabe. Dabei sind ökonomische, gesellschaftliche und bisweilen auch individuelle Ziele auf einen Nenner zu bringen und alle Argumente für den Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens zu bündeln. Viele Führungskräfte wissen heute, dass sie ihr Unternehmen grundlegend verändern müssen, damit es sich auf Dauer am Markt behaupten kann. Doch nur wenigen gelingt es, die Dynamik wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Veränderungsprozesse in überzeugende Strategien für ein übergreifendes Change Management im Unternehmen zu übersetzen. Als Antwort auf Forderungen, dass neben einer schlüssigen Strategie auch die Unternehmenskultur ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Zukunft ist, werden häufig Leitbilder oder Unternehmensphilosophien entwickelt, die wenig Akzeptanz und operative Relevanz besitzen. Damit bleiben weit reichende Chancen und Möglichkeiten ungenutzt, ein übergreifendes Selbstverständnis, das zum Beispiel in einem Leitbild formuliert sein kann, als Steuerungs- und Wertschöpfungsinstrument im Unternehmen zu nutzen.
Im Operationalisierungsprozess sind in jedem Fall die Führungskräfte in der Verantwortung. Denn Führen heißt Vorbild sein und das Leitbild im gesamten Unternehmen zu ‘leben‘ fängt bei den Führungskräften an. Doch wie sieht das konkret aus? Welche Instrumente unterstützen die Umsetzung? Relevant, glaubhaft und messbar wird das Leitbild über operative Standards wie Qualitäts-, Führungs- und Kommunikationsstandards. Qualität zum Beispiel wird in Unternehmen oft rein faktenorientiert über ISO-Zertifizierungen geregelt. Qualität ist jedoch auch ein Vereinbarungsthema, das seine Erdung im Leitbild hat und auch unter Wahrnehmungsaspekten betrachtet werden muss. Die Art und Weise, wie beispielsweise Lufthansa Stewardessen den Markenkern „Passion for perfection“ an ihre Fluggäste vermitteln hat sehr viel mit der Operationalisierung des Leitbildes zu tun. Denn das Qualitätsversprechen und seine Umsetzung am Kunden ist die konkrete arbeitsplatzrelevante Interpretation dessen, was im Leitbild als Rahmenbedingung definiert wurde. Je relevanter und präziser hier in operativen Standards dekliniert wird, welche Konsequenzen sich für jeden einzelne Mitarbeiter bei der Verwirklichung des Leitbildes ergeben, desto erfolgreicher wird der Umsetzungsprozess auch von den Mitarbeitern angenommen. Die Leitbildimplementierung ist Teil eines mehrstufigen ‘Brand Engagement Prozesses‘, bei dem es vor allem darum geht, das Markenverständnis aller Mitarbeiter zu vertiefen sowie deren Befähigung in Gang zu setzen, um Motivation, Bereitschaft und Leistungswillen zu stimulieren. Denn erst wenn das Leitbild gelebte Realität wird – und nur dann – kann damit auch Geld verdient werden.
Interview mit Hans-Ulrich Cyriax, erschienen in „Cross-Marketing – Allianzen, die stark machen. Mit Partnern schneller erfolgreich werden“ von Tobias Meyer und Michael Schade, erschienen im Verlag Business Village, Göttingen 2007