Die Kultur eines Unternehmens entscheidet heute mehr denn je über die Fähigkeit mit veränderten Rahmenbedingungen progressiv umzugehen, eine nachhaltige Reputation im Markt aufzubauen und wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Bereits Anfang der 1990er Jahre haben die amerikanischen Wissenschaftler John P. Kotter und James L. Heskett in einer Langzeitstudie diesen Zusammenhang untersucht. Demnach konnten Unternehmen mit einer starken Unternehmenskultur im Zeitraum von elf Jahren Ertragssteigerungen von 682 Prozent aufweisen – während Firmen mit einer weniger gut etablierten und gelebten Kultur nur eine Steigerung von 166 Prozent verzeichneten. Diese Zahlen verdeutlichen, welche enormen Wertschöpfungspotentiale in dem so genannten „Soft-Faktor“ Kultur liegen. Was aber ist Unternehmenskultur, wie manifestiert sie sich im Unternehmen und welche Faktoren machen ihren Erfolg aus?
Von Hans-Ulrich Cyriax, Dr. Klaus Schmidt, erschienen in „Die Welt“, September 2006
In der Theorie wird Unternehmenskultur als Summe der Normen, Werte und Artefakte definiert, die bewusst oder unbewußt, sichtbar oder unsichtbar gelebt werden. Oft ist Unternehmenskultur allerdings schlicht die Summe der Geschichten, die man sich erzählt. Denn Kultur lebt immer auch von Stories, die die Vergangenheit meist verklären. Beispiel Apple: Als Steve Jobs am 1. April 1976 zusammen mit Steve Wozniak und Ronald Wayne die Firma Apple Computer in der Garage seiner Eltern gründete, begann der Mythos Apple. Angeblich stammte das Startkapital von 1.300 Dollar aus dem Erlös von Steve Job´s VW Bulli und dem Texas-Instruments-Taschenrechner von Steve Wozniak. Hartnäckig halten sich auch Gerüchte und Theorien um die Herkunft des Namens Apple. Beispielsweise sei der Name gewählt worden, weil Jobs und Wozniak im Telefonbuch noch vor ihrem ehemaligen Arbeitgeber Atari stehen wollten. Neben diesen Stories war Apple´s Unternehmenskultur stets eine Innovationskultur. Von der Entwicklung des eigenen Betriebssystems, der Erfindung der Computer-Maus, dem futuristischen Aussehen der iMacs, dem PowerBook als Statussymbol bis hin zur Erfolgsgeschichte des iPod – die Kultur von Apple ist eine Kultur der Regelbrüche und der unternehmerischen Unerschrockenheit.
Unternehmenskultur als Leistungskultur
Unternehmen sind erfolgreich, in dem sie Gewinne erwirtschaften. Profit ist legitim und der unternehmerische Auftrag eines Wirtschaftsunternehmens. „Leistung aus Leidenschaft“ – heißt das bei Deutschlands derzeit erfolgreichster Bank. Josef Ackermann, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank: „Unsere Unternehmenskultur zeichnet sich durch Leistungsorientierung, gegenseitigen Respekt und leidenschaftliches Engagement für den Menschen wie für die Sache aus.“ Die Unternehmens- als Leistungskultur der Deutschen Bank ist keine leere Versprechung. Der Gewinn vor Steuern ist im ersten Quartal 2006 um 46 Prozent auf die Summe von 2,6 Milliarden Euro gestiegen – Rekord für Frankfurt’s Deutschbanker. Gleichzeitig ist die Bank und ihre Führung beherrscht von einer Angstkultur. Um nicht von ausländischen Konkurrenten übernommen zu werden, muss sie ihren Börsenwert erhöhen. Die Renditemaximierung hat zur Folge, das weltweit 6.400 Mitarbeiter ihren Job verlieren werden. „Smartsourcing“ heißt das bei der Bank und wird von Politik und Gewerkschaften als „Schweinerei“ und verheerendes Signal für den Standort Deutschland bezeichnet. Auch das ist Kultur.
Was ist Unternehmenskultur?
Die Beispiele verdeutlichen – Unternehmenskultur ist vielschichtig. Sie hat – ähnlich einem Eisberg – sichtbare und unsichtbare Ausprägungen. Einerseits wird sie geprägt durch Produkte, Werbung, Sprache, Rituale bis hin zur Kleidung oder Architektur. Andererseits ist Unternehmenskultur immer auch gekennzeichnet durch Überzeugungen, Erfahrungen und Gewohnheiten. Getreu dem Motto – ein Produkt kann man kopieren, eine Kultur nicht – wird die Unternehmenskultur unter den Bedingungen der internationalen Arbeitsteilung und des globalen Standortwettbewerbs zu einem zentralen Instrument, um die enorme Veränderungsdynamik, die Unternehmen heute bewegt, offensiv und bewußt gestalten zu können.
Über kulturelle Kategorien wie Werte, Fähigkeiten und Verhalten sowie Einflussgrößen wie Führung, Kommunikation und Zusammenarbeit können Selbstwertgefühl und Stolz aufgebaut werden, die eine für den Markterfolg entscheidende Reputation erst ermöglicht. Den Führungskräften kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Sie sind die Kulturträger im Unternehmen. Sie müssen heute nicht nur Prozesse und Strukturen managen – sondern sollten stärker denn je in der Lage sein, eine treibende Vision zu entwickeln, die Relevanz von Veränderungen aufzuzeigen, mit Widerständen umzugehen und Entscheidungen überzeugend zu kommunizieren.