„Die Voraussetzung der natürlichen Markenbildung ist die Warenqualität.“
Mit 22 Grundgesetzen der natürlichen Markenbildung setzte Hans Domizlaff Ende der 1930er Jahre den Grundstein der Markentechnik. In seinem Lehrbuch „Die Gewinnung des öffentlichen Vertrauens“ beschreibt er zum ersten Mal in der Fachliteratur die Entstehung eines Markenartikels. Sein Buch gilt vor allem in Deutschland als „Bibel“ der Markenbildung, als „Urfaust des Marketings“.
Produktmarken waren für ihn Zeichen gleichbleibender Qualität. Es gehe darum, „öffentliches Vertrauen“ hervorzurufen und sich eine „Monopolstellung in der Psyche der Verbraucher“ aufzubauen. Domizlaff war Mitbegründer der modernen Werbepsychologie und einer der führenden Kommunikationsexperten der Weimarer Republik. Er betätigte sich als Industrieberater bei Siemens und schuf für die Zigarettenfabrik Reemtsma so ikonographische Marken wie „R 6“ oder „Ernte 23“. Marken waren für ihn „beseelte Wesen“ und Markengesetze gleichbedeutend mit Naturgesetzten.
Vor allem in reifen Märkten entscheidet heute mehr denn je die Markenstärke über die Akzeptanz des Herstellers. Produkte werden Marke, wenn es ihnen gelingt, ein positives, relevantes und unverwechselbares Image aufzubauen. Letztlich entstehen Marken im Kopf: die Assoziationen und Vorstellungsbilder, die eine Marke in der Psyche der Konsumenten erzeugt, beeinflusst Einstellungen und lenkt das Kaufverhalten. Für Unternehmen und ihre Produkte hat es deshalb viele Vorteile, sich als Marke zu positionieren. Sie kennzeichnen Unterschiede und ziehen Grenzen. Sie bündeln rationale Produkteigenschaften als Kaufargumente und sind – ganz im Sinne Domizlaffs – ein Qualitätsversprechen und Signal für Verlässlichkeit. Mit einer schlüssigen Positionierung verringern Marken bei Konsumenten das Risiko von Fehlentscheidungen: „Persil – da weiß man was man hat.“ Als in den 70er Jahren die Marktanteile des traditionsreichen Waschmittels spürbar zurückgingen, informierte in der Fernseh-Werbung fortan der „Persil-Mann“ im Nachrichtenstil über die Produktvorteile des Waschmittels. Die Strategie ging auf: Hausfrauen griffen fortan wieder zu Persil, obwohl die Marke keinen Preisvorteil bot, sondern glaubwürdig einen Zusammenhang zwischen Reinheit und Pflege kreierte.
Marken schaffen das verlässliche Band zwischen Kunden und Herstellern. Sie machen aus einem Auto ein Lebensgefühl, aus einer aromatisierten Brause ein Kultgetränk. Für viele Konsumenten ist die Marke darüber hinaus von symbolischem Wert und dient ihnen als Vehikel zur Selbstdarstellung. Bewusst und unbewusst beeinflussen und steuern Marken über eine Mixtur aus Fakten und Emotionen die Wahrnehmung von Menschen. Ein Balanceakt – denn letztlich sind Marken wie ein Ehrenwort. Menschen glauben ihnen, interessieren sich für sie, bringen ihnen gar Gefühle entgegen, wenn das Gleichgewicht aus Wort und Tat, aus dem Versprechen und seiner Einlösung gewahrt bleibt. Aus jedem Markenversprechen erwächst eine Verpflichtung. Wird es erfüllt, entsteht und wächst Vertrauen. Apple beweist wie das geht: Die Produkte sind auf die Wünsche der Kunden ausgerichtet, bestechen durch Benutzerfreundlichkeit, Qualität, ungewöhnliches Design und funktionieren. Alle Faktoren zusammen begründeten die Attraktivität und den finanziellen Wert der Marke von zuletzt immerhin rund 184 Milliarden US-Dollar (Quelle:Interbrand).
Um eine erfolgreiche Marke aufzubauen und nachhaltig im Markt zu etablieren, bedarf es der Entwicklung eines strategischen Positionierungskonzepts. Definiert wird, wofür die Marke stehen will, was ihre Stärken sind und wie sie bei Kunden eindeutig, prägnant und positiv einen Unterschied ausmachen will. Die Positionierung gibt Auskunft über das Versprechen der Marke und dessen Einlösung. Ausgangspunkt bei der Entwicklung einer Markenpositionierung sind stets die Bedürfnisse und Erwartungen der Kunden. Sie liefern die Grundlage für ein trennscharfes Leistungsversprechen, das sich aus rationalen und emotionalen Argumenten zusammensetzt. Sie ergeben den USP – eine im Idealfall einzigartige Kaufargumentation – die im Wettbewerb einen Unterschied und für die Kunden den Mehrwert vermittelt. „Es geht darum zu beschreiben, „was das Produkt leistet – und für wen“, formulierte es der englische Werbefachmann David Ogilvy. Die Kernbotschaft von Marken – im Marketingsprech als „Claim“ bezeichnet – bringt die Positionierung verbal auf den Punkt: „Miele. Immer besser.“ oder „Audi – Vorsprung durch Technik“.
Ein bestimmendes Merkmal der Markenidentität und einen entscheidenden Einfluss auf die Markenwahrnehmung hat die visuelle Gestalt der Marke. „Eine Marke hat ein Gesicht wie ein Mensch“, erklärte bereits Hans Domizlaff. Die Differenzierung über Corporate Design geht zurück auf die Anfänge der Industrialisierung, in der Unternehmen anfingen, untereinander zu konkurrieren und nach Unterscheidungsmöglichkeiten suchten. Der visuelle Gesamtauftritt von Unternehmen und ihren Produkten umfasst alle Berührungspunkte des Kunden mit der Marke: Vom originären Produktdesign, der Gestaltung des Briefpapiers und der Visitenkarten, der Beschriftung der Fahrzeugflotte, dem Auftritt in der Werbung, in den Verkaufsläden, im Internet, auf Messen bis hin zur Architektur der Verwaltungs- und Fabrikgebäude. An jedem dieser Kontaktpunkte hat die Marke ihren Auftritt und präsentiert einen Teil ihres eigenständigen Charakters. Das Corporate Design Konzept umfasst die markenprägende Gestaltung des Logos, eine Unternehmensschrift, typische Markenfarben, ein spezifisches Layout und stilprägende Fotos.
Heutzutage versuchen die Markenhersteller neben visuellen Ankern die Kunden auch mit anderen Sinnen anzusprechen. Spezielle Duftkonzepte verschaffen beispielsweise den Gästen der Hotelkette Sofitel ein „einzigartiges Hotelerlebnis“. Musikkonzepte – so genanntes Sound-Branding – senden auditive Markensignale aus und positionieren die Marke in den Ohren der Konsumenten. Das Zusammenspiel aller Assoziationen verankert die Marke in der Vorstellungswelt der Kunden als eine Persönlichkeit und bietet ihnen die Möglichkeit, sich mit ihr zu identifizieren, sie wiederzuerkennen und sich an sie zu erinnern. In unserer unübersichtlichen, komplexen und immer stärker digitalen Welt sind Marken eine Orientierungsinstanz. Sie sind ein Anker für Vertrauen und deshalb wichtiger denn je.
Autor:
Hans-Ulrich Cyriax arbeitete über 15 Jahre im Dienst der Marke, als Markenberater und als Leiter des Strategischen Marketings der Dresdner Bank. Seit 2011 hat er seinen Namen selbst zur Marke gemacht und betreibt mit Cyriax Partners ein auf Organisations- und Personalentwicklung spezialisiertes Beratungsunternehmen.
Erschienen in:
Kaufen. Eine kleine Kulturgeschichte des modernen Einzelhandels in Deutschland. Verlag: Callwey, 2019 – Stadt, Land, Handel: Anlässlich des 100-jährigen Bestehens des Einzelhandelsverbands Deutschland (HDE) präsentiert dieser Band ein ganzes Jahrhundert deutscher Einkaufskultur. In Konsum und Handel spiegeln sich nicht nur die wechselnden politischen und sozialen Wirklichkeiten bunt und vielgestaltig wider, sondern auch technologische und kulturelle Entwicklungen. Anhand von opulenten Bildstrecken zeichnen die Fachbeiträge namhafter Autoren den engen Zusammenhang von Stadt und Handel ebenso nach, wie die Auflösung von räumlichen Zusammenhängen im Zuge der Mobilisierung von Waren und Menschen. Eine kluge wie unterhaltsame Zeitreise: vom Sprung aus der Kaiserzeit hinein in die Moderne, über den Mangel und den Wohlstand der Nachkriegsjahrzehnte, bis hin zu den Auswirkungen von Digitalisierung und Globalisierung auf den Alltag vor und hinter den Ladentischen in Deutschland.