Die Dresdner Bank hat’s nicht leicht: Das Sorgenkind des Allianz-Konzerns soll aufgespalten werden, Investoren fordern den Verkauf des Investment-Geschäfts. Zudem fiel nach dem Gewinneinbruch 2007 im 1. Quartal des laufenden Jahres sogar ein hoher Verlust an – die Kreditkrise hinterlässt ihre Spuren. Auch bei den Mitarbeitern herrscht Unmut: Die Bank sei so weit wie nie vom Postulat der „Beraterbank“ entfernt, so ein internes Schreiben des Betriebsrats, das der „Wirtschaftswoche“ vorliegt. Der Stellenabbau habe dazu geführt, dass der Service stark leide. Nichtsdestotrotz oder gerade deswegen geht die Bank in diesem Jahr kommunikativ in die Offensive. Angepeilt werden vor allem das Online-Geschäft sowie der Mittelstand.
Insbesondere im Privatkundengeschäft besteht Handlungsbedarf: Hier unterbieten sich die Konkurrenten seit Jahren mit Billigofferten, selbst die lange zurückhaltende Deutsche Bank hat sich mit der Norisbank eine Discount-Tochter zugelegt. Das Girokonto zum Nulltarif ist längst zur Selbstverständlichkeit geworden. Auch die Dresdner Bank ist mittlerweile überzeugt, reagieren zu müssen: Die Hälfte der Bankkunden seien heute „hybride Kunden“, sagt Hans-Ulrich Cyriax, Head of Strategic Marketing & Brand Experience. Soll heißen: Sie wollen sowohl möglichst günstige Angebote für einfache Produkte wie Girokonten, aber auch klassische Beratung, wenn’s kompliziert wird.
Genau diese Kunden soll die neue Produktlinie Dresdner Bank Direct 24 ansprechen: Das Online-Angebot beinhaltet leistungsstarke, einfache Produkte wie ein Laufzeitkonto mit 4,6 Prozent Zinsen und ein Gratis-Girokonto. Die neue Marke soll die Zahl der Online-Kunden bis 2010 von 2 auf 3 Millionen erhöhen. Die Hälfte der Neukunden wird dabei aus dem Dresdner-Kundenstamm kommen, schätzt Cyriax. Den Rest will er vorzugsweise aus dem Sinus-Milieu der „modernen Performer“ gewinnen.
Dabei hat die Bank Wert darauf gelegt, die Offensive nicht wie die Deutsche Bank mit einem Tochterunternehmen zu starten. Der Kunde soll das Online-Angebot sehr eng im Zusammenhang mit weiteren Produkten der Dresdner Bank sehen – zwei separate Geschäftsbeziehungen würden da nur stören. Rosinenpicker, die lediglich auf ein kostenloses Girokonto scharf sind, sollen daher nicht angesprochen werden.
Entsprechend ist auch die begleitende Werbekampagne gestaltet (Agentur: Ogilvy & Mather, Frankfurt), die am kommenden Wochenende anläuft. Eine Frau erzählt ihrer Freundin, dass sie für ihre verschiedenen Bedürfnisse auch verschiedene Banken hat. Die Freundin ist stolz, dass sie das alles bei der Dresdner bekommt – inklusive günstigem Onlinebanking. Ein weiterer Spot mit Männern als Protagonisten soll folgen.
Sowohl im TV als auch bei der begleitenden – bislang für die Dresdner größten – Onlinekampagne (Agentur: Argonauten, Berlin) wird auf das aggressive Herausstellen eines Zinsangebots verzichtet. Lediglich bei den Radiospots ist dies der Fall. „Der Preis ist wichtig, aber er ist nicht das einzige Kriterium“, sagt Cyriax. Die TV-Spots laufen rund drei Monate auf allen großen Sendern (Media: Mindshare, Frankfurt).
Das gesamte Jahr ist Dresdner Bank Direct 24 zudem als Sponsormarke des ZDF-Wetterberichts zu sehen – der bekannte Regenschirm tanzt ab dem 26. Mai in einen Laptop mit dem Markenlogo. Werbung für einzelne Angebote ist auf diesem Sendeplatz nicht möglich.
Neben der Online-Offensive nimmt sich Cyriax das Thema Mittelstand vor – ein Terrain, in dem zuletzt eher Konkurrenten wie etwa die Commerzbank lautstark aufgetreten sind. „Hier wollen wir uns mit einer für Kunden relevanten Botschaft zurückmelden“, so Cyriax. Dies geschieht mit neuen Produkten – unter anderem einem Mittelstandsdarlehen mit Sonderzins ab 4,9 Prozent – sowie mit einer Werbekampagne, die in Publikumszeitschriften und Wirtschaftstiteln läuft (Agentur: Ogilvy & Mather, Frankfurt). Die Hauptrolle spielen dabei Kunden, die als Testimonials gewonnen werden konnten. Sie erklären, warum sie mit der Dresdner Bank zusammenarbeiten. Dazu heißt der Slogan: „Der Mittelstand denkt langfristig. Wir sind der Partner, der genauso denkt.“
Mit dem Slogan knüpft die Kampagne an Marktforschungsergebnisse an, die aussagen, dass sich Mittelstandskunden von einer Bank neben Vertrauen und Verständnis für das Geschäft vor allem eine langfristige Partnerschaft wünschen. Aus diesem Grund wird den Kunden unter anderem nun garantiert, dass sie für einen bestimmten Zeitraum vom selben Berater betreut werden. Insgesamt will die Bank bis 2010 mit Mittelstandskunden ein zusätzliches Geschäftsvolumen von 10 Milliarden Euro einfahren. 2007 lag die Summe bei 90 Milliarden Euro.
Sowohl Online- als auch Mittelstandswerbekampagne werden federführend von Hans-Ulrich Cyriax betreut. Der frühere Unternehmensberater kam vor einem Jahr und übernahm die neu geschaffene Position des Head of Strategic Marketing & Brand Experience, der direkt an Vorstandschef Herbert Walter berichtet. Damit wurde das strategische Marketing vom operativen Marketing getrennt. Das heißt: Überall, wo Marketingmaßnahmen mit der strategischen Positionierung der Bank zusammenhängen, laufen sie über Cyriax’ Schreibtisch. Das Produktmarketing fällt weiterhin in den Zuständigkeitsbereich des früheren Marketingleiters Jörg Grünwald, der seit Sommer 2007 als Leiter Market-Management Consumer Banking fungiert. „Die Idee war, das strategische Marketing nabhängig vom Tagesgeschäft zu etablieren“, erklärt Cyriax den Schritt. „Wir denken langfristiger als jemand im Produktmarketing, der oft kurzfristigen Zwängen unterworfen ist.“
Cyriax und sein achtköpfiges Team haben zum Start eine umfangreiche Befragung von Kunden und Nichtkunden durchgeführt, um deren Bedürfnisse, aber auch die Schwachstellen des Dresdner-Auftritts zu ermitteln. Aus der Befragung wurden konkrete Forderungen an das Marketing destilliert: „Wir haben für jedes Kernsegment der Bank ein Leistungsversprechen definiert, das sich auch im Markenerlebnis widerspiegeln soll“, so Cyriax. „Das kann nur funktionieren, wenn es von den Mitarbeitern gelebt wird.“ Zu seinen Aufgaben gehört es daher auch, Impulse für die Verbesserung des Service und des Erscheinungsbilds der Filialen zu geben. „Heute nimmt man bei der Dresdner Bank noch ein sehr heterogenes Bild wahr“, erklärt der Marketingstratege. „Es gibt Flagship-Filialen wie etwa in München, wo schon alles echt stimmig ist. Andere Häuser können erst nach und nach auf diesen Stand gebracht werden.“
Der Markenstratege: Hans-Ulrich Cyriax, Jahrgang 1967, studierte Politische Wissenschaft und Journalistik. Seit über zehn Jahren arbeitet er im Bereich Marken- und Identitätsentwicklung, zuletzt als Consulting Director und Mitglied der Geschäftsleitung des Beratungsunternehmens Henrion Ludlow Schmidt in Hamburg. Seit Juli 2007 ist er Head of Strategic Marketing & Brand Experience der Dresdner Bank. Er verantwortet Markenmanagement, klassische Werbung und Kundenerlebnismanagement.
Veröffentlicht in HORIZONT, 23.Mai 2008, Autor: KLAUS JANKE