Der Begriff Nachhaltigkeit verfügt über soziales Kapital und Status. Nachhaltigkeit muss sich (vermeintlich) niemandem erklären, ist allgemein akzeptiert und vielfach impliziter Teil alltäglichen Lebens. Doch vielfach ist unscharf, wann etwas wie nachhaltig ist – und warum. Auch Banken – im derzeitigen gesellschaftlichen Diskursklima der Inbegriff des Quartalsdenkens – wollen nachhaltig sein. Auch sie wollen auf facebook gefallen und dem Kunden ein gutes Gewissen geben: beim Investieren, im Kreditgeschäft und beim Filialbesuch.
Von Carsten Claus im Auftrag der Cyriax Strategie- und Markenberatung
Carl von Carlowitz beschrieb in seinem Werk „Sylvicultura oeconomica“ (1713), was er unter Nachhaltigkeit versteht. In einer Zeit, in der Holz knapp zu werden drohte, stellte er fest: es kann nur soviel Holz geschlagen werden, wie auch nachwächst. Mit dieser Konsequenz liegt der Begriff nahe am englischen „Sustainability“ – bedeutet „to sustain“ auch „am Leben erhalten“. Den Wald am Leben erhalten, um ihn auch nutzen zu können.
In der deutschsprachigen Diskussion scheint der Begriff mehr auf „den Wald erhalten“ zu liegen, während „ihn auch zu nutzen“ implizit nur eingeschränkt als nachhaltig erachtet wird. Dabei hat auch die Bundesregierung frühzeitig erkannt, dass Nachhaltigkeit sich nicht alleine auf ökologische Aspekte beziehen kann, sondern systemisch verstanden werden muss. Der Brundtland Report „Our Common Future“ (1987) avancierte zum Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung und die Bundesregierung hat 1998 ihr „Konzept Nachhaltigkeit – vom Leitbild zur Umsetzung“ erarbeitet. Dabei sollten mit einer nachhaltigen Entwicklung die Bedürfnisse der heutigen Generation befriedigt werden, ohne die Chancen künftiger Generationen zu beeinträchtigen. Dazu bedarf es einer globalen Wirtschafts-, Umwelt- und Entwicklungspolitik, die ökologische, soziale und ökonomische Ziele in Einklang bringt. Insbesondere die starke Thematisierung des „Klimawandels“ hat den Begriff der Nachhaltigkeit aber in der öffentlichen und politischen Diskussion wieder auf ökologische Themen verengt. Hier scheint es einen Konflikt zu geben zwischen dem „lauten Diskurs“ (Nachhaltigkeit = primär bekämpfen des Klimawandels) und dem „leisen … oder derzeit übertönten Diskurs“ (Nachhaltigkeit als Balance verschiedener Zukunftsstrategien). Zu letzterem gibt es mit dem „Copenhagen Consensus“, initiiert von dem Ökonomen Blörn Lomborg, einen Gegentrend innerhalb des Nachhaltigkeitsdiskurses: demnach ist Klimawandel zweifelsohne ein wichtiges Thema, es sollte aber nicht so dominant sein, dass neben ihm kein anderes Thema wachsen kann.
Eine thematische Verengung von Nachhaltigkeit findet auch in der sozialen Dimension statt. So bemerkt Stefan Sigrist vom Think Tank „The W.I.R.E.“, dass Nachhaltigkeit nicht Gutmenschentum oder Altruismus sei. Vielmehr verfolgt Nachhaltigkeit Ziele in mehreren Dimensionen, „bedeutet (..) Zukunftsfähigkeit und steht in einem betriebswirtschaftlichen Kontext gleichbedeutend mit einer erfolgreichen Wachstumsstrategie, die allerdings nicht auf kurzfristige Gewinnmaximierung, sondern auf langfristigen Erfolg ausgerichtet ist.“
Noch sind weder Strategien der Banken noch Wünsche der Kunden immer klar mit Nachhaltigkeitskriterien in Übereinkunft zu bringen. Die Unsicherheit und teils auch Verwirrung auf Seiten der Banken („Wie machen wir es richtig?“) wie auch der Verbraucher („Kann man den Banken hier vertrauen?“) ist ein Thema. Die Verengung von Nachhaltigkeit auf ökologische Aspekte hat auch Konsequenzen für die Erwartungshaltung von Kunden. So wird im alltäglichen Diskurs „Gewinnstreben“ selten im Kontext von Nachhaltigkeit genannt. Das Ausbalancieren der Nachhaltigkeitsdimensionen und deren entsprechende Kommunikation ist in ihrer Gesamtheit schwer – und so wird oft wieder der Blick verengt auf etwas, das einfach zu kommunizieren ist. Das entspricht aber nicht immer unbedingt dem entspricht, wofür man eigentlich steht.
Hinzu kommt, dass zwar von der Gesellschaft nachhaltiges Handeln gefordert und nicht nachhaltiges Handeln schnell sanktioniert wird. In der Umkehr wird an nachhaltigen Kriterien orientiertes Handeln aber auch nicht in gleichem Maße belohnt. Insbesondere eher als „konventionell“ bekannten Unternehmen wird schnell das Label „Greenwashing“ angehängt, wenn diese allzu kräftig nachhaltige Aktivitäten vollziehen und es wagen, diese auch zu kommunizieren. So erfolgt vieles im Kleinen und schrittweise, oft als Lernprozess einer Organisation. Am Ende sind für nachhaltiges Handeln klar definierte Standards notwendig, um mit Sicherheit sagen zu können „Ja, das ist nachhaltig … nein, das nicht.“ Und an diesen mangelt es. Letztlich geht es im Bankgeschäft um die „vierte Dimension der Geldanlage“. Zu den drei „konventionellen“ Rendite, Liquidität, Sicherheit gesellt sich eine vierte: ESG – Environment, Social, Governance.
Nachhaltigkeit eröffnet neue Perspektiven
Die Lautstärke in der gesellschaftspolitischen Diskussion hat sich erhöht. Die Finanzkrise legitimiert und treibt den Diskurs zur Neubewertung von Wachstum. So wie Nachhaltigkeit nicht nur auf eine ökologische Dimension fokussiert, so gilt für Wachstum – insbesondere im Verbund mit Nachhaltigkeit – eine nicht mehr rein quantitative Bewertung. Glück und Gemeinwohl sind dabei zwei Parameter, die hier stärker in den Fokus rücken. Statt „Gross National Product“ wird seit 1974 in Buhtan die „Gross National Happiness“ gemessen, als Indikator für Lebensqualität und unter Berücksichtigung der Kultur Buhtans sowie spiritueller buddhistischer Werte. Lange belächelt wurde dieses Konzept u.a. vom französischen Präsidenten Sarkozy im Kontext der Wirtschaftskrise aufgegriffen: Freude und Wohlgefühl sollten als Wachstumsindikatoren Berücksichtigung finden. Der britische Ökonomieprofessor Richard Layard startet eine „Action-for-Happiness“ Bewegung basierend auf einem „Ideal aus der Zeit der Aufklärung: Die beste Gesellschaft ist diejenige, in der es am meisten Glück und am wenigsten Elend gibt“. Er beruft sich dabei auf Erkenntnisse aus der Glücksforschung.
Helmut Lind, Vorstand der größten Genossenschaftsbank Bayerns wird durch eine Aussage aus einem der ungewöhnlichsten Bücher zum Thema Nachhaltigkeit gestützt: Nachhaltigkeit braucht Ungehorsam. Er plant im Herbst 2011 neben der Veröffentlichung der traditionellen Finanzbilanz auch die Veröffentlichung einer „Gemeinwohlbilanz“: Wie wohl fühlen sich die Mitarbeiter der Bank? Wie ökologisch nachhaltig und sozial gerecht sind die Geschäfte der Bank? Wie viel Mitbestimmung und Transparenz gibt es? Helmut Lind geht hier deutlich über ökologische Aspekte hinaus und implementiert Bewertungskriterien in seiner Organisation, wie sie sich als Bewertungskriterien für „Social Responsible Investments“ (SRI) zunehmend etablieren.
Nachhaltigkeit wird quantifizierbar – langsam entwickeln sich Standards
Was wann und wie nachhaltig ist, dafür wird insbesondere im Bereich Investments an Kriterien und Standards gearbeitet. So finden sich Leitlinien für ein nachhaltiges Investment z.B. in der „Darmstädter Definition nachhaltiger Geldanlagen“ wonach diese zu einer zukunftsfähigen Entwicklung beitragen, was durch eine umfassende Analyse der Anlageobjekte gemäß ökonomischer, ökologischer sowie sozialer & kultureller Kriterien erfolgt. Im englischsprachigen Raum gibt es vergleichbare Kriterien für SRIs. Während insbesondere in früheren Phase von SRI bestimmte Investitionen ausgeschlossen wurden, die nicht mit Werten des Investors übereinstimmten (z.B. Alkohol oder Tabak), haben sich mittlerweile die Kriterien ausdifferenziert und wirken weniger „moralisiert“. Eine zunehmende Orientierung an den sogenannten ESG-Kriterien (Environmental, Social and Governmental Issues) schafft hier einen größeren Rahmen, indem z.B. „Performance“ durchaus unter nachhaltigen Gesichtspunkten einbezogen wird.
So gibt es neben der traditionellen finanziellen Performance Indikatoren zum Erfassen der extra-finanziellen Performance. Aus Sicht institutioneller Anleger scheinen die ESG-Kriterien eine hinreichende Basis zu liefern. Eine allgemein verbindliche Standardisierung gibt es hier derzeit nicht, ihre Entwicklung scheint jedoch nur eine Frage der Zeit zu sein. So engagiert sich u.a. die „Global Reporting Initiative“ für Leitlinien zu einer einheitliche ESG-Berichterstattung. Konkrete Ansätze in der Praxis hierzu gibt es – so u.a. mit der Standardisierung von ESG-Parametern durch spezifische KPIs wie beim Index STOXX Global ESG Leaders, die im April 2011 vorgestellt wurden. Hier werden die ESG-Kriterien für 1800 europäische Aktiengesellschaften abgebildet (Kennzahlen hierfür werden vom Dienstleister „Sustainalytics“ geliefert). Der Index ist auch Beispiel für die Zunahme von Nachhaltigkeits-Aktienindizes, die in der Regel ein Teilsegment eines allgemeinen Marktindizes abbilden. Da durch ESG und entsprechende KPIs der Grad der Nachhaltigkeit quantifizierbar gemacht werden kann, werden die ESG-Kriterien für die Investoren-Praxis zunehmend legitimiert; auch wenn sich hier noch einiges tun wird. Die Ergänzung von konventionellen Kriterien um ESG-Kriterien versteht sich auch als „pragmatische Nachhaltigkeit“. Rein ökologische, ethische und sozialverantwortliche Kriterien stehen dagegen für „starke Nachhaltigkeit“ und rein klassische Finanzkriterien die „schwache Nachhaltigkeit“.Wie diese Kriterien nun aber im einzelnen gewichtet werden, unterliegt dabei den Einschätzungen der Investoren und Research-Häuser. Auf die freiwillige Einigung in Richtung Standards muss hier hingearbeitet werden, da die Kriterien zur Bewertung der nachhaltigen Unternehmensperformance im Gegensatz zu denen der klassischen Rating-Agenturen nicht veröffentlicht werden müssen. Für die langfristige Vertrauensbildung wäre aber genau diese nötig.
Nachhaltigkeit hat eine Lobby im Finanzbereich
Für die Weiterentwicklung, Verbreitung und Verankerung der ESG-Prinzipien engagieren sich mehrere Einrichtungen. So versucht z.B. die TBLI Group (http://www.tbli.org/), den Gedanken zu etablieren, dass ESG-basiertes Investment neben finanziellem Erfolg auch gesellschaftlichen und Umweltnutzen stiftet, oder wie es ihr Motto ausdrückt: Triple Bottom Line Investing (TBLI). Ähnlich agieren Verbände wie das European Sustainable Investment Forum (Eurosif) auf europäischer Ebene bzw. das Forum nachhaltige Geldanlagen e.V. für den deutschsprachigen Raum (auch Mitglied und Mitbegründer des Eurosif). Das FNG definiert nachhaltige Geldanlagen als eine „Ergänzung der klassischen Kriterien Rentabilität, Liquidität und Sicherheit um ökologische, soziale und ethische Aspekte“ und berücksichtigt „Anlageprozesse, die in ihre Finanzanalyse den Einfluss von ESG (Umwelt, Gesellschaft und Governance)-Kriterien einbeziehen“. Basierend auf diesem ESG-Konzept vergeben Eurosif und FNG seit 2008 ein Transparenzlogo für nachhaltige Publikumsfonds. Dass ESG-Investments dann am Ende auch ökonomisch erfolgreich sind, versucht eine Studie von Truscost PLC und RLP Capital darzulegen. Acht konventionelle Fonds wurden mit acht Fonds gemäß ESG-Kriterien verglichen. Zumindest in dieser Studie zeigt sich, dass die ESG-Fonds binnen drei Jahren besser abschnitten („ESG funds outperform traditional funds“, http://bit.ly/hD8qRV). Allerdings sind derartige Einzelergebnisse sicher mit Vorsicht zu betrachten.
Social Responsible Investments (SRIs) gewinnen an Bedeutung – vier Hauptreiber
Allen Verschiebungen von gesellschaftlichen Werten werden früher oder später zu einem „strategischen Issue“ für Unternehmen. So auch nachhaltige Investments: die gesellschaftliche Erwartungshaltung treibt die Nachfrage der institutionellen wie privaten Anleger und die Nachfrage nach SRI-Anlagemöglichkeiten insgesamt steigt. Lag das Volumen verwalteter SRI Assets in Deutschland 2005 noch bei etwa € 4 Billionen., so betrug 2007 bei € 11 Billionen und 2009 bei annähernd 13 Billionen – Tendenz weiter steigend. In Europa stiegt das Volumen von € 1 Trillion (2005, EU-9) bei über € 5 Trillionen in 2009 (EU-14). Der Marktanteil von SRI Assets am gesamten Anlagemarkt liegt hier bei ca. 10%, wobei die Niederlande mit einem Anteil von 25% hier führend sind.
Insgesamt wird auch das Produktspektrum breiter. So waren Ende 2009 alleine im deutschsprachigen Raum 313 Aktien-, Renten-, Misch-, Dach-, Mikrofinanz-Fonds sowie Exchange Trades Funds (ETFs) zum Vertrieb zugelassen – 2004 waren es lediglich 112 nachhaltig veranlagte Fonds. Bei den Publikumsfonds haben Aktienfonds mit über 70% den größten Anteil am verwalteten Vermögen, gefolgt von Renten- (15%) und Mischfonds (10%). Gut 90% der SRI Assets liegt bei instutionellen Anlegern. Der größte Teil fließt in Fonds, die ESG-Grundsätze befolgen, dabei aber teils auch einzelne Aspekte stärker gewichten. So gibt es neben Nachhaltigkeitsfonds, die eine eher ausgewogene ESG-Balance haben auch solche, die eher ökologisch, ethisch oder ökologisch-ethisch orientiert sind. Die SRI-Strategien unterscheiden sich auch aufgrund kultureller Eigenschaften der Länder bei der Gewichtung von Kriterien. So werden ethische Aspekte als Element des CORE-Ansatzes insbesondere in den nordischen Ländern stärker beachtet. Grundsätzlich werden seitens Eurosif vier Hauptreiber für das SRI-Wachstum in den kommenden drei Jahren genannt (Eurosif Study 2010, http://bit.ly/e5c0tL):
- Institutionelle Investoren: SRI gewinnt an Bedeutung nicht zuletzt als Teil des Risikomanagements
- Private Investoren (Retail & HNWIs): das wachsende Misstrauen gegenüber traditionellen Finanzangeboten und deren wahrgenommener Verknüpfung mit der Finanzkrise treibt die Nachfrage von dieser Seite
- NGOs, Gewerkschaften, Medien: Das Deepwater-Horizon Disaster im April 2010 hat auch Investoren alarmiert. ESG-Themen finden seitdem zunehmend stärkere Berücksichtigung bei der Portofolioauswahl.
- Internationale Initiativen wie z.B. UNPRI: Die United Nations Principles for Responsible Investment. Diese sind ein Rahmenwerk auf das sich 2005 eine Gruppe von 20 institutionellen Investoren geeinigt hat und die um weitere Unterzeichner wirbt. UNPRIs liegen 6 Investitionsprinzipien für ein verantwortungsbewusstes Investment zugrunde, das in der Praxis stärker verankert werden soll: http://www.unpri.net/principles/index-2.html.
Verankerungsdimensionen von Nachhaltigkeit im Bankensektor: Reden, Machen, Leben.
Neben dem Trend zu nachhaltigen Investitionen ist auch Anwendung von ESG-Kriterien ein Thema. Es wird hier sicher Abstufungen geben, wie stark Nachhaltigkeit innerhalb einer Bank gelebt wird. Am Beispiel der Hypovereinsbank wird kurz dargestellt, wie dieses -über Investionsstrategien hinaus- in die gesamte Geschäftsstrategie eingebunden wird. Im Anschluss daran wird anhand von vier Verankerungsdimensionen erläutert, wie „tief“ Nachhaltigkeit innerhalb einer Bank verankert sein kann.
Verankerung von Nachhaltigkeit bei der Kreditvergabe
Die Nachhaltigkeitsrating-Agentur oekom research hat 2009 u.a. die Kreditvergabe-Praktiken zahlreicher Banken untersucht. Von den dabei untersuchten 65 Geschäftsbanken kam dabei die Hypovereinsbank auf den ersten Platz. Die Bank achtet dabei – stärker als andere – auf soziale und ökologische Kriterien und berücksichtigt dieses bei der Vergabe insbesondere von Großkrediten. Dabei ist laut HVB „jede Kreditzusage (..) an einen Kriterienkatalog geknüpft, der sicherstellt, dass Projekte nicht gegen Umweltstandards sowie ethisch-moralische Kriterien verstoßen“. Das seien zum Beispiel mangelnde Sozialstandards, Kinderarbeit und Korruption. Das Regelwerk für diese Standards bei Projektfinanzierungen gebe es bereits seit 2003.
Bei der Kreditvergabe lautet die Maxime der HVB: Es wird kein Geschäft getätigt, das der Bank langfristig schadet. Sämtliche Entscheidungen basieren dabei auf den ökologischen und sozialen Standards der Weltbank sowie den „Equator Principles“. Bei diesen Prinzipien handelt es sich um ein freiwilliges Regelwerk, basierend auf den Umweltstandards der Weltbank und den Sozialstandards der International Finance Corporate (IFC), einer Tochtergesellschaft der Weltbank. Die Banken verpflichten sich dabei zur Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards im Bereich der Projektfinanzierungen. Dabei werden nur solche Projekte zu finanziert, bei denen die Umwelt- und Sozialkriterien der Prinzipien erfüllt werden.
Verankerung von Nachhaltigkeit durch strategische Partnerschaft
Im Mai 2008 ging die HVB zudem eine internationale strategische Partnerschaft mit dem WWF ein, um Umwelt- und Klima-Themen im Konzern weiter voranzutreiben. Hinter dem so genannten „Green Deal“ mit dem WWF, der vorsieht, die CO2-Emissionen bis 2020 um 30 Prozent zu reduzieren, stehe ein umfangreiches Maßnahmenprogramm. Dieses beinhaltet die Einführung von Klimaschutzrichtlinien sowie Projekte, die sowohl den Bankbetrieb als auch die finanzierten Emissionen im Kredit- und Anlagegeschäft betreffen. Die HVB hat dabei ein umfangreiches Klimaaktionsprogramm aufgesetzt und sei Partner der bundesweiten Aktionswoche „Klima und Finanzen“ des Bundesumweltministerium im Januar 2010 und Mitbegründer des 2007 gegründeten „Finanzforum Klimawandel“ in Kooperation mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung gewesen. Insbesondere die Partnerschaft mit dem WWF scheint hier Vorbildcharakter insbesondere für andere Geschäftsbanken, Nachhaltigkeit glaubwürdig als Geschäftsprinzip zu verankern.
Verankerung von Nachhaltigkeit im Wertesystem
Nachhaltigkeit ist, laut Aussage der HVB, explizit kein Trendthema, sondern als Geschäftsprinzip in der Geschäftsstrategie verankert. Dabei bildet konzernweit bei der UniCredit ein Wertesystem eine Handlungsgrundlage, wonach alle Mitarbeiter den Prinzipien Fairness, Transparenz, Respekt, Gegenseitigkeit, Freiheit und Vertrauen verpflichtet sind. Ein Verhaltenskodex sowie Compliance-Richtlinien regeln den Umgang mit Interessenkonflikten und beugen Korruption, Bestechung und Geldwäsche vor. Hegt ein Mitarbeiter Verdacht auf einen Verstoß, kann er sich vertraulich an einen Ombudsmann wenden.
Konkrete Maßnahmen im Kontext eines nachhaltigen Geschäftsprinzips
Wir haben bewusst auf die Nennung von einzelnen Maßnahmen verzichtet, ohne diese in einen größeren Kontext zu stellen. Die gleiche Maßnahme wirkt jeweils anders, wenn sie eher als PR-Übung verstanden wird und dann bei der Gesamtbetrachtung nicht anschlussfähig ist – oder ob sie Teil eines ganzheitlichen Nachhaltigkeitsystems ist. Insofern muss Nachhaltigkeit auch wirklich gelebt werden. Bei der HVB wird dieses versucht.
So ist sich die Bank bewusst, dass dieses nur mit entsprechend motivierten Mitarbeitern geschehen kann. Insofern trifft sie zahlreiche Maßnahmen, die so auch exemplarisch für das Bestreben vieler anderer Banken stehen können. Dazu gehören u.a. Vereinbarkeit von Beruf und Familie (was regelmäßig einem von der Hertie-Stiftung durchgeführten „Audit Beruf und Familie“ unterzogen wird), Diversity (Ziel ist, den Anteil von Frauen im Top-Management bis 2012 auf 20% zu steigern), ein Frauenbeirat (der die Bank für die Interessen von Mitarbeiterinnen und Kundinnen sensibilisieren soll). In diese Stoßrichtungen gehende Maßnahmenbündel finden sich aber auch bei anderen Instituten, wie z.B. der DEKA-Bank. Ähnlich ist es auch bei der Corporate Citizenship-Strategie der HVB, innerhalb derer Projekte aus den Themenfeldern Soziales, Finanzbildung, Umwelt und Kultur gefördert. Als Beispiel dient die HVB hier deshalb, weil die explizite Einbeziehung von Nachhaltigkeit als Geschäftsprinzip genannt wird. Wie dieses insgesamt eingeordnet werden kann, dazu dienen die nun folgenden Verankerungsdimensionen.
Dabei befinden sich die ersten beiden Verankerungsdimensionen
(1 & 2) auf der Ebene operationaler Prozesse und Initiativen. Auf einer tiefer liegenden, eher organisationskulturell geprägten Ebene zeigen weiteren Dimensionen (3 & 4) die Integration von Nachhaltigkeit in Produkt-Design, Mission, Vision, Werten und abgeleiteten Strategien. Für letztere nennen wir zwei Beispiele. Unter Verankerungsdimensionen verstehen wir, wie tief nachhaltiges Handeln im Unternehmen verankert ist bzw. von außen wahrgenommen werden kann. Sie haben Hypothesencharakter und stellen lediglich eine Einschätzung dar.
1. Nachhaltigkeit als Aktivitätenbündel (Symbolismus)
Hypothese: Nachhaltigkeit ist als Trendthema angekommen und wird als „Druck von außen“ spürbar. Unternehmen stehen hier noch auf einer ersten Stufe der Entwicklung und müssen u.U. erst lernen, dass Nachhaltigkeit als Marketingthema nicht geeignet ist, wenn es dazu an Substanz fehlt.
Kennzeichen:
- Symbolisches Thematisieren von Nachhaltigkeit
- Nachhaltigkeit als CSR-Projekt
- Resonanz mit gelebten Werten nicht zwingend
2. Nachhaltigkeit als Strategieelement
Hypothese: Unternehmen beschäftigen sich schon länger mit dem Thema Nachhaltigkeit. Die strategische Bedeutung von Nachhaltigkeit wurde erkannt und findet sich in unterschiedlichen Ausprägungen wieder. Die Umsetzung ist möglicherweise noch nicht konsistent im Unternehmen verankert. Es besteht die Gefahr, dem Verdacht des „Greenwashing“ ausgesetzt zu sein. Weiterhin ist Nachhaltigkeit z.T. zu unscharf auf den Unternehmenskontext bezogen, so dass es zu Defiziten bei der Implementierung kommen kann.
Kennzeichen:
- Nachhaltigkeit als strategische Fragestellung
- Nachhaltigkeit als organisationaler Lernprozess (durch entsprechende Maßnahmenbündel z.B. Recycling-Programme, Kultursponsoring, Verbesserung von Personalentwickung)
- Nachhaltigkeit als (wahrgenommener) Kundenwunsch und explizites (und z.T. komplementäres) Produktangebot
3. Nachhaltigkeit als Strategiefundament
Hypothese: Geschäftsmodell und Strategie werden durch nachhaltiges Denken und Handeln getragen. Insbesondere durch den Nachhaltigkeitsdiskurs inspirierte Gründungen positionieren sich als „Gegenmodell“ zu konventionellen Banken. Sie greifen dabei auch Gegentrends zu den Megatrends auf, wie z.B. nationale/regionale Verankerung vs. globale Präsenz, ethisch begründete und transparent Investments vs. Shareholder-Value Vorgaben, Mikro-Investment (Personen) vs. Institutionen.
Erkennbar ist, dass gesellschaftlicher Diskurs und gesellschaftliches Handeln sich nicht 1:1 entsprechen, sonst müsste es in der Summe mehr dieser Banken geben, bzw. diese könnten größer sein. Ähnlich wie z.B. beim Thema „Energie“ sind die Trägheit zu wechseln sowie der Fokus auf Kosten noch immer recht hoch. Ähnlich wie „Energie“ ist „Geld/Konto“ nach außen wenig sichtbar und „konventionelles Verhalten“ wird (noch) wenig sozial geächtet, weil die kritische Masse noch immer „konventionell“ agiert. Hier fehlt es der Nachhaltigkeit noch an Status.
Kennzeichen:
- Nachhaltigkeitsdiskurs als Träger und Treiber des Geschäftsmodells
- Explizite Ausrichtung des gesamtes Geschäftsmodells am Trend des „Gesellschaftlichen Umsteuerns“ und als ethisch begründeter Gegentrend zu „unethischen“ Globalisierungsphänomenen
- Nachhaltigkeit als (Versuch einer) USP .
Beispiel GLS Bank (http://bit.ly/1Zcnhg): Die GLS Bank gehört dem Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) und dessen Sicherungseinrichtung an. Sie wurde 1974 gegründet und war die erste Bank in Deutschland, die nach sozial-ökologischen Grundsätzen arbeitet. Die GLS Gemeinschaftsbank entstammt aus dem anthroposophischenMilieu. Ihre Zentrale befindet sich in Bochum, weitere Niederlassungen gibt es in München, Hamburg, Frankfurt am Main, Stuttgart, Freiburg und Berlin. Anfang 2003 übernahm die GLS Bank die Geschäfte der in finanzielle Schwierigkeiten geratenen Ökobank. Durch die Übernahme der IntegraBank (München) im Jahr 2008 verstärkt die Bank ihr Engagement auch im christlich-kirchlichen Bereich.
4. Nachhaltigkeit als historisch verankerter Wert und Zukunftskompass
Hypothese: Nachhaltige Geschäftsprinzipien waren historisch immer verankert, lange bevor „Nachhaltigkeit“ diskursfähig war. Nachhaltigkeit in ihrer weiteren Bedeutung begleitet das Unternehmen seit der Gründung. Im Unterschied zu Nachhaltigkeit als Strategiefundament sind die SRI/ESG-Issues dem Geschäftsmodell schon fast eher implizit bzw. und waren nie wirklich „konventionell“.
Kennzeichen:
- historisch gewachsenes und breites Nachhaltigkeitsverständnis
- dem Geschäftsmodell implizit
- teilw. Schwierigkeit, im „Lärm“ der „Nachhaltigkeitsneuankömmlinge“ dieses zu vermitteln
Beispiel Sarasin Bank: (http://bit.ly/qs7OjJ): Nachhaltigkeit hat bei Sarasin Tradition. Von Anfang an legten die Bank Sarasin und ihre Teilhaber Wert auf ökologisch und ökonomisch sowie sozialverantwortlich optimierte Prozesse. 1994 lancierte die Bank den weltweit ersten Ökoeffizienz-Fond. Heute ist sie führend auf dem Gebiet nachhaltiger Anlagen und Vermögensverwaltung. (…) Die Bank Sarasin ist Mitglied beim European Sustainable and Responsible Investment Forum (EUROSIF), der europäischen Vereinigung aller Interessenten auf dem Gebiet nachhaltiger Geldanlage. Im September 2003 hat EUROSIF eine Transparenzleitlinie publiziert. Diese soll es Privatanlegern ermöglichen, sich ein klares und umfassendes Bild über die Qualität nachhaltiger Investmentfonds zu machen. Sarasin hält sich verbindlich an diese Leitlinie.
Fazit
Nachhaltigkeit differenziert sich im Bankbereich als Begriff aus. Die Entwicklung von Indikatoren (KPIs) für ESG-Kriterien geht voran und wird mittelfristig – zumindest auf europäischer Ebene – zu einer Standardisierung führen. Ob und wieweit dieses global erfolgt, lässt sich derzeit nicht absehen. Institute, seien es Banken oder institutionelle Anleger, bei denen Nachhaltigkeit Teil der Kultur ist, werden nicht nur hinsichtlich der ESG-Kriterien besser „performen“, sie werden auch die Entwicklung mit gestalten und bestimmte Trends für sich nutzen können. Inwieweit sich nachhaltiges Handeln gegenüber nicht nachhaltigem Handeln behauptet, wird sich auch daran messen lassen müssen, wieweit es hier allgemein verbindliche Parameter gibt.
Literatur
DB Research (2010): Responsible Invesments. Mehr als eine Modeerscheinung
Eurosif (2010): European SRI Study 2010
Klasen & Röder (2009): Socially Responsible Investments. Motive, Aspekte und Trends aus Sicht institutioneller Investoren. BankInvest Group & Leuphana Universität Lüneburg.