Verantwortung – dieser Begriff feiert eine erstaunliche Auferstehung. „Corporate Social Responsibility“ – kurz CSR, ist en vogue. Eine bemerkenswerte Bewusstseinswende. Noch vor wenigen Jahren waren es ausschließlich die Sharholder, denen sich Unternehmen gegenüber verantwortlich fühlten.
Von Hans-Ulrich Cyriax, erschienen in Frankfurter Allgemeine Zeitung, April 2007
„The business of business is business.“ – Wirtschaftsnobelpreisträgers Milton Friedman bezieht die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen allein auf die Gewinnmaximierung. Mit dem Konzept der CSR tritt nun die eher moralisch ausgerichtete Verantwortungsethik auf den Plan. Unternehmen suchen den Dialog mit ihren Stakeholdern und wollen auch die Konsequenzen ihres Handelns in die Unternehmensführung einbeziehen. An die Stelle des konfrontativen Kapitalismus tritt ein eher kooperativer Stil, der nachhaltiger, aufgeklärter, problembewusster agiert. Gefragt ist heute die gelungene Verbindung von wirtschaftlichem Erfolg und moralischem Handeln.
Nach einer Umfrage der britischen Initiative „Business in the community“ sehen 78 Prozent aller europäischen Topmanager ihre Wettbewerbsfähigkeit durch CSR-Aktivitäten gestärkt. Bei deutschen Finanzdienstleistern ist CSR als Disziplin der Unternehmensführung jedoch ein noch weitestgehend unbeschriebenes Blatt. Im diesjährigen Good Company Ranking des managermagazins, für das die Sozialverträglichkeit der 120 größten Konzerne Europas analysiert wurde, rangieren deutsche Kreditinstitute wie die Commerzbank (Platz 59) und die Deutsche Bank (Platz 60) eher auf den hinteren Rängen. Die Schweizer UBS oder die niederländische ABN Amro hingegen gehören zu den Top10 der Liste.
Am Geld kann es nicht liegen. Die spendenfreudigste deutsche Finanzgruppe – die Sparkassen – verteilte nach einer Handelsblatt-Umfrage im vergangenen Jahr immerhin rund 296 Millionen Euro. Auf Platz zwei folgt die Deutsche Bank, die inklusive ihrer Stiftungen knapp 90 Millionen Euro für wohltätige Zwecke ausgab. Die durchaus lobenswerten Aktivitäten, die aus diesen Geldtöpfen finanziert werden, sind allerdings häufig eher die Ergänzung gewinnträchtigen Unternehmertums durch großzügige Philantrophie. Das Geld wird ausgegeben für Spenden und Sponsoring, für Kunstsammlungen, Golf-Turniere, Kirchenrenovierungen oder Hilfen bei humanitären Katastrophen.
Sicher, auch im Bankenbereich gibt es gute CSR-Ansätze, die weit über Sponsoringaktivitäten hinaus gehen. Die Deutsche Bank beispielsweise versucht über ihr Nachhaltigkeitsengagement die Interessen der Stakeholder mit der Maximierung des Shareholder Value in Einklang zu bringen. Beispiel Soziales Engagement: Mit einer eigenen Stiftung und einem Kapital von 15 Millionen Dollar unterstützt die Deutsche Bank in Südafrika Projekte zur sozialen und wirtschaftlichen Stabilisierung. Oder sie schickt ihre Manager an Gymnasien und Berufsschulen, um dort wirtschaftliches und finanzielles Basiswissen zu vermitteln. Auch für die Allianz-Gruppe gehören „Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit untrennbar zusammen“. Ihr Chef Michael Dieckmann ist überzeugt, dass „jedes Risiko auch eine Chance birgt“. So hat das Finanzunternehmen einen Klimaschutz-Aktionsplan für alle Bereiche des Konzerns aufgestellt, nach dem die von der Allianz verursachten Treibhausgasemmissionen bis 2012 um 20 Prozent gegenüber dem Jahr 2000 gesenkt werden sollen. Auch im Geschäft mit Mikroversicherungen ist das Unternehmen aktiv und bietet Lebensversicherungen für die indische Landbevölkerung an. Die jährliche Prämie beträgt 95 Cent. Weit mehr als ein Alibigeschäft. Die Allianz hat bereits 95.000 Menschen im indischen Bundesstaat Tamil Nadu versichert – und macht dabei Profit.
Wer ökonomisch handeln will, muss langfristig denken. Das Konzept des verantwortlichen Handelns sollte jedoch Teil einer CSR-Strategie sein, die auf den drei Säulen Ökonomie, Ökologie und Soziales beruht und die ethische, soziale und ökologische Verantwortung mit konkretem unternehmerischen Handeln verbindet. Dabei muss CSR nicht im Widerspruch zum Gewinnstreben stehen. „Ethik ist nicht als Abzug vom Gewinn zu begreifen“, schreibt etwa der Philosoph Ulf Dettmann, „sondern als Faktor desselben.“ Woran es bei vielen CSR Aktivitäten jedoch mangelt, ist die Verknüpfung mit dem Kerngeschäft. Denn CSR sollte integrierter Teil von Managementstrategien und-prozessen und verbindlicher, betriebswirtschaftlicher Entscheidungsfaktor sein. So schafft CSR sogar neue Märkte.
Investoren beispielsweise achten inzwischen immer stärker darauf, ob ein Unternehmen gesellschaftliche Verantwortung übernimmt. Laut einer Studie der Beratungsfirma Systain Consulting seien Investoren heute bereit, bis zu acht Prozent mehr für Aktien von Unternehmen mit guter CSR-Strategie zu bezahlen. Die einfachste und gängigste Möglichkeit für Privatanleger ihr Geld mit gutem Gewissen zu investieren, sind so genannte Nachhaltigkeitsfonds. Sie berücksichtigen neben Kriterien wie Rentabilität, Liquidität und Sicherheit auch ökologische, soziale und ethische Aspekte. Gewinne mit gutem Gewissen: Die Spitzenreiter unter den Nachhaltigkeitsfonds legten auf Dreijahressicht um etwa 20 Prozent jährlich zu. Nebeneffekt: Das Vertrauen der Kunden in das Handeln von Banken steigt. Immerhin will heute jeder zweite Konsument wissen, unter welchen sozialen und ökolgischen Bedingungen Unternehmen produzieren, so das Ergebnis einer Umfrage der britischen Strategieberatung Goodbrand &Co. Zwei Drittel der Befragten schätzen es, wenn sich Firmen für bessere Arbeitsbedingungen oder weniger Umweltbelastungen einsetzen.
Meist erwächst verantwortliches Handeln jedoch leider nur aufgrund von gesellschaftlichem Druck. Bei einem umstrittenen Kraftwerksprojekt in Indien machte die Hypvereinsbank vor Jahren den Rückzieher. Für den Bau hätten 40.000 Menschen umgesiedelt werden müssen, zudem drohten Umweltschäden. Doch in Zeiten zunehmender Umweltorientierung gehört zur Kreditvergabe mehr als nur eine Bonitätsprüfung.Vielmehr müssen auch soziale und ökologische Folgen als Teil des Risikomanagements einbezogen werden. Die HVB hat ihre Hausaufgaben gemacht: Bei einer Untersuchung der Ratingagentur Oekom Research wurde sie im Frühjahr 2006 als nachhaltigste Bank ausgezeichnet.
Die Herausforderungen – gerade für den Finanzdienstleistungsbereich – liegen darin, CSR als unmittelbaren Teil der Unternehmensstrategie zu definieren. Dafür ist genau zu analysieren, an welcher Stelle der Wertschöpfungskette CSR-Führungsprojekte sinnvoll sind und sich mit der Positionierung der Bank verbinden lassen. So verstanden kann mit CSR auch Geld verdient werden. Mehr noch: Mit einer glaubwürdigen CSR-Strategie bietet sich darüber hinaus auch die Möglichkeit, sich aus dem Marketing-Mainstream abzuheben, Vertrauen bei Kunden wieder zu gewinnen und Mitarbeiter nachhaltig zu motivieren.