Mondelez begeht seinen ersten Geburtstag. Im Oktober 2012 spaltete sich der Lebensmittelkonzern Kraft Foods in zwei eigenständige, börsennotierte Gesellschaften. Die Kraft Foods Group ist seither für die nordamerikanischen Lebensmittelaktivitäten zuständig, Mondelēz International umfasst die globalen Aktivitäten für Snacks und Süßwaren und die Aktivitäten für Lebensmittel außerhalb Nordamerikas. Wie etabliert ist die Marke Mondelez nach einem Jahr? Für die Kommunikationsfachzeitschrift prmagazin zieht Hans-Ulrich Cyriax eine Bilanz.
prmagazin: Verstehen Sie die Hintergründe der Aufspaltung von Kraft-Foods und Mondelez? Inwiefern können Sie die Argumente nachvollziehen, dass der Bereich „Snacks“ besser wachsen kann, wenn er vom „Groceries“-Geschäft von Kraft Foods getrennt wird?
Cyriax: Kraft ist über 100 Jahre am Markt. Vor der Aufspaltung arbeiteten weltweit über 130.000 Mitarbeiter für den Multi. Organisatorisch gesehen war dieser Konzern ein riesiger Tanker. Große Tanker haben den Vorteil, dass sie so schnell nichts aus der Bahn wirft. Sie sind jedoch auch träge und unflexibel. So gesehen, kann ich den harten strategischen Schritt zur Aufspaltung von Kraft in zwei Organisationseinheiten gut nachvollziehen. Heute gehört Agilität zu den Grundvoraussetzungen unternehmerischen Erfolgs. Zu schnell ändern sich Kundenbedürfnisse und Marktbedingungen. Dafür brauchen Unternehmen eine hohe Flexibilität, schlanke und dynamische Strukturen sowie eine Unternehmenskultur die Innovationen fördert. Die internen Veränderungen in den Organisationen von Kraft Foods als amerikanischen Lebensmittelkonzern und Mondelez als internationalen Snack-Konzern zu managen, braucht einige Zeit. Gelingt der Change, glaube ich, dass das Wachstum anschließend einen Schub bekommt.
prmagazin: Warum ist dafür generell aus Ihrer Sicht eine Umfirmierung sinnvoll? Die Marke „Kraft“ hätte doch auch für beide Bereiche funktionieren können, oder?
Cyriax: Bei der Entwicklung von Markenarchitekturen ist zwischen juristischem Absender und Markenabsender zu unterscheiden. Dabei ist es durchaus möglich, zwei rechtlich getrennte Gesellschaften unter einem Markendach zu vereinen. Die beiden Kraft-Gesellschaften hätten also durchaus auch einen gemeinsamen Markennamen für Ihre Dachgesellschaften haben können – vielleicht differenziert nach Foods und Snacks. In diesem Fall hätte man sich jedoch strategische Freiheitsgrade für die Zukunft unnötig verbaut. Denn die getrennte Aufstellung ermöglicht es, in Konsolidierungs- und Fusionsprozessen flexibler agieren zu können. Vor einigen Jahren etwa spaltete Bayer seine Spezialchemiesparte ab und gab ihr den Namen Lanxess. Die Strategie zahlte sich aus: Inzwischen ist Lanxess neben seinem Mutterkonzern Bayer sehr erfolgreich.
Zudem lässt sich mit einem neuen Namen auch einfacher eine veränderte Unternehmensidentität aufbauen. Nomen est Omen – der Name ist Bestimmung, mit Mondelez ist etwas Neues entstanden. Dieser Schritt ist bewusst gewählt worden, ich betrachte ihn als sehr konsequent.
prmagazin: Wie bewerten Sie die Marke und das Logo? Werden sie „angenommen“? Wie hat das Unternehmen das erreicht? Was ist passiert, dass die Marke besser etabliert wurde?
Cyriax: Über den Namen Mondelez ist nach seiner Taufe vor einem Jahr viel geschrieben worden. Name, Logo und Auftritt sind dabei nicht immer gut weggekommen. Ein Kunstname wirkt zunächst immer künstlich. So wie bei einem künstlichen See oder einem auf der grünen Wiese gebauten Stadtteil sind Zeit und gezielte Maßnahmen notwendig, damit sich das Neue etablieren kann. Ein entscheidender Schritt in dem Zusammenhang ist die Positionierung der neuen Marke. Es sollte definiert sein, wofür Mondelez heute und in Zukunft stehen will. Welche Veränderungen die Marke im Vergleich zu Kraft vermittelt und welche Haltung hinter dem Unternehmen steckt. Mondelez ist einer der größten Nahrungsmittelkonzerne der Welt. Wie wird der Konzern dieser Verantwortung gerecht und wie schafft es die Marke, sie zu vermitteln? Im Marken-Manifest von Mondelez ist davon nicht viel zu lesen. Dafür wirken die schönen Worte im Leistungsversprechen süß wie Zuckerguss, es fehlt die Relevanz. Ich empfehle, daran weiter zu arbeiten und das heute eher emotionale Markenversprechen rational zu untermauern.
Entscheidend für den Erfolg von Mondelez sind jedoch die Produktmarken, die bei der Kommunikation auch im Fokus stehen. Sie sind das Markengesicht gegenüber den Kunden. Je professioneller sie geführt werden, je stärker ihre Anziehungskraft und Verankerung bei den Kunden ist, desto stärker wird auch über Zeit die Reputation der Dachmarke Mondelez.
Aus gestalterischer Perspektive sollte Mondelez recht bald in ein Facelifting investieren. Das Logo erinnert eher an eine Produktmarke als einen globalen Lebensmittelkonzern. Die pinselartige Schreibweise könnte auch als Eiscreme-Logo durchgehen. Fraglich auch, was die roten Blasen am Wortanfang und –ende für eine Bedeutung haben. Der Strich auf dem „e“ ist überflüssig und die einzelnen Buchstaben sollten typografisch überarbeitet werden. Somit könnte dem Logo mehr Erhabenheit und Stabilität eingehaucht werden.
prmagazin: Wie geschickt hat Kraft/Mondelez die Einführung der neuen Dachmarke kommuniziert?
Cyriax: Mondelez hat auf einen Big Bang in der Launchphase verzichtet. Gut so, denn die Kunden hätte das eher verwirrt. Sie kaufen Milka, Jacobs oder Philadelphia. Desto wichtiger ist die Etablierung der Dachmarke Mondelez im Finanzmarkt sowie bei den Mitarbeitern. Wie gut sie intern vermittelt wurde, kann ich nicht beurteilen. Für das Gelingen der „Operation Aufspaltung“ ist eine hohe Identifikation mit der Marke Mondelez jedoch ein entscheidendes Erfolgskriterium.
prmagazin: Zunächst ist „Mondelez“ ja gar nicht auf den Packungen oder Markenartikel aufgetaucht, der Frischkäse „Philadelphia“ trägt sogar weiterhin den alten rot-weißen „Kraft“-Schriftzug im Logo. Was bezweckt Mondelez Ihrer Meinung nach mit dieser Strategie? Und was halten Sie davon?
Cyriax: Zwei Argumente sprechen aus Sicht von Mondelez für einen flexiblen Umgang mit der Marke Kraft. Erstens sind einige Produktmarken sehr eng an die Dachmarke gekoppelt. Prominentestes Beispiel: „Kraft Tomatenketchup“. Streicht man „Kraft“ aus dem Logo, bleibt von der Marke nicht viel übrig. Deshalb führt bei diesem Beispiel an Markenrechts- und Lizenzvereinbarungen zwischen den Konzernen Kraft Foods und Mondelez kein Weg vorbei. Das zweite Argument betrifft die Kosten. Da die Aufspaltung quasi in der Familie stattgefunden hat, können bereits vorproduzierte Verpackungen aufgebraucht werden. Da die Markenpräsenz von Mondelez (noch) kein Kaufkriterium für die Produktmarken darstellt, kann die Markenumstellung schrittweise in einem definierten Transformationsprozess erfolgen.
prmagazin: Welche Bedeutung haben Dachmarken gerade für Lebensmittelhersteller? Warum ist der „Absender“ eines Food-Produkts angesichts des schlechten Images der Branche so wichtig?
Cyriax: Die Dachmarke von Lebensmittelherstellern erfüllt mehrere Funktionen. Sie bündelt übergreifende Werte, Haltungen oder Eigenschaften wie Vertrauen, Qualität, Verlässlichkeit, Innovation. Je stärker sie damit aufgeladen ist, desto größer die Synergien zwischen den Produktmarken im Portfolio. Eine gut positionierte Dachmarke macht sich bezahlt etwa bei der Einführung neuer Produkte. Taucht eine unbekannte Pizza-Marke im Tiefkühlregal auf und der Verbraucher entdeckt auf der Verpackung eine ihm bestens vertraute Dachmarke, ist die Pizza quasi vor-verkauft. Ein großer Vorteil. Der Kunde minimiert so sein Risiko, eine falsche Entscheidung zu treffen.
Die Dachmarke ist zudem am Kapitalmarkt von Bedeutung. Die Marke Mondelez bündelt alle Argumente für Investitionsentscheidungen. Da es vor allem um die Leistungskraft des Unternehmens in der Zukunft geht, ist es entscheidend, wie und was die Dachmarke gegenüber Investoren kommuniziert.
Schließlich stehen Lebensmittelmarken auch im Fokus des öffentlichen Interesses. Die jüngsten Lebensmittelskandale zeigen das. Entscheidender als jemals zuvor ist es, wie sich Lebensmittelmarken als verantwortlicher Teil der Gesellschaft verhalten. Von einem Lebensmittelhersteller erwartet man heute Engagement zu den großen Ernährungsfragen. Politiker, Investoren oder Verbraucher fordern Transparenz und Aufklärung. Sie wollen wissen, ob das Unternehmen etwas tut, um den Hunger in der Welt oder Fettleibigkeit zu bekämpfen.
prmagazin: Inwiefern erfüllt die Marke „Mondelez“ ein Jahr nach ihrer Einführung diese Funktion? Oder auch nicht?
Cyriax: Mondelez ist in meiner Wahrnehmung bisher nicht sonderlich als „Corporate Citizen“ aufgefallen.
prmagazin: Was könnte ein Unternehmen tun, um die neue Marke besser/stärker zu positionieren?
Cyriax: Die Marke ist ein Versprechen für Vertrauen und es kommt entscheidend darauf an, dieses Versprechen auch zu halten. Mondelez sollte seine Markenpositionierung überarbeiten und sein unternehmerisches Handeln konsequent daran auszurichten. Aus meiner Sicht ergeben sich drei konkrete Handlungsempfehlungen:
- Verstehen: Für Mondelez und seine Produktmarken geht es darum, die intuitiven, unterbewussten Wahrnehmungs- und Entscheidungsmuster sowie die verschiedenen Rollen und Alltagssituationen der Kunden besser zu verstehen.
- Positionieren: Für die Dachmarke Mondelez geht es darum, die Bedürfnisse aller Stakeholder in den Mittelpunkt der Positionierung zu stellen. Nicht die Binnensicht des Unternehmens ist zu definieren, sondern dessen Nutzen für die relevanten Zielgruppen.
- Befähigen: Für Mondelez geht es darum, Führungskräfte und Mitarbeiter zu echten Markenbotschaftern zu machen. Sie müssen lernen, die Markenpositionierung konkret erlebbar zu machen.