Retrospektiven – oder kurz Retros – kennt man vor allem aus Teams, die nach dem Scrum-Prinzip arbeiten. Nach jeder Sprinteinheit, also regelmäßig alle paar Wochen, kommt das gesamte Team für 1-2 Stunden zusammen und spricht über die Verbesserung der Zusammenarbeit. Dabei geht es nicht um die Inhalte der Teamarbeit, sondern lediglich um die Art und Weise der Kooperation. Erfolgsentscheidend für effektive Retrospektiven ist, dass jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer sich einbringen kann und Erfahrungen miteinander geteilt werden. Es soll eine gemeinsame Geschichte entstehen, aus der man lernt und sich verändern kann. Ziel von Retrospektiven ist es, nicht nur das Projekt an sich, sondern auch die Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu verbessern.
Die positiven Ergebnisse aus Retros sprechen dafür, dieses Vorgehen auch in anderen Teams oder der gesamten Organisation zu etablieren. Um den gleichen Effekt zu erzielen, müssen dafür die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden.
Atmosphäre: Offenheit und Ehrlichkeit können nur in einer vertrauensvollen Umgebung entstehen. Grundannahme sollte sein, dass jede Kollegin und jeder Kollege innerhalb seiner jeweils individuellen und spezifischen Möglichkeiten das Beste getan hat. Jedwede Verbesserungsvorschläge basieren auf dieser Annahme.
Vorgehen: Zunächst werden Informationen darüber gesammelt, was gut und was schlecht gelaufen ist. Auf der Grundlage dieser Inspektion erfolgt die Ursachenforschung sowie die Ableitung von Maßnahmen, die entweder beibehalten, angepasst oder neu getroffen werden. Die Gruppe einigt sich auf die wichtigsten Veränderungspunkte und vereinbart die nötigen Schritte, um das eigene Verhalten neu auszurichten.
Formate: Es gibt eine Reihe an Methoden und Spielen, um möglichst einfach und schnell Erkenntnisse aus dem vergangenen Sprint – oder allgemein der bisherigen Zusammenarbeit – zu gewinnen. Zum Retro-Auftakt empfiehlt es sich, ein kurzes Stimmungsbild einzuholen. Zum Beispiel können die Teilnehmerinnen auf einer Achse, an deren Enden ein lachender und ein trauriger Smiley aufgemalt sind, einen Post-it mit einem ihrem Stimmungsbild entsprechenden Wort anbringen. Im Anschluss sollte kurz darüber gesprochen werden. Man kann zur Einstimmung auch einfach hin und wieder die Frage stellen, zu welchem Zweck die Retro überhaupt gemacht wird. Einfach und effektiv zur Informationengenerierung ist die „4L-Methode“. Anhand der Kategorien „Liked“ „Learned“ „Lacked“ und „Longed for“ werden in Kleingruppen und einzeln zu jedem „L“ relevante Punkte gesammelt und anschließend im Plenum diskutiert und priorisiert.
In vielen Retros konzentriert man sich darauf, was beibehalten, weiterentwickelt oder neu gelernt werden soll (start – stop – continue). Inzwischen haben sich mehrere Abwandlungen ergeben, die sich je nach Situation besser eignen. Zum Beispiel kann das Modell erweitert werden zu: Stop, Less, Keep, More und Start. Will man es noch persönlicher gestalten, kann die Kategorie „What’s in it for me?“ hinzugefügt werden. Das heißt, man macht sich weitere Gedanken über persönliche Vorteile. Alternativ kann auch das Modell DAKI – Drop, Add, Keep, Improve – eingesetzt werden.
Eine weitere effektive Methode ist das Zukunftsspiel. Hier stellen sich die Teilnehmerinnen vor, sie hätten den perfekten Sprint hinter sich und überlegen dann, was dazu geführt hat, dass dieser Sprint so erfolgreich war. Zum Abschluss der Retro werden die nächsten Schritte aufgeschrieben. Um die Retro darüber hinaus positiv abzuschließen, kann man eine Lob- oder Dankrunde einführen, in der jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer ein Lob/Danke an eine selbstgewählte Person ausspricht. Oder die Teilnehmenden geben sich nacheinander jeweils ein Feedback, wie und durch was genau sie dem Team geholfen haben und was sie noch verbessern können.
Die knapp vorgestellten Methoden lassen sich noch um viele weitere ergänzen. Wichtig ist, bei Retrospektiven positiv und respektvoll miteinander umzugehen sowie zukunftsorientiert auf der Prozess- und Verhaltensebene zu diskutieren.