Der Homo oecomomicus ist passé. Längst ist klar, dass das Modell des „Wirtschaftsmenschen“ als rationaler Agent und Nutzenmaximierer eine wissenschaftliche Erfindung ist. Das Gegenteil ist der Fall: Menschen entscheiden oft irrational auf der Grundlage psychologischer Muster.
Die Verhaltensökonomie, die sich mit diesen Themen auseinandersetzt, erfreut sich derzeit einer ungeahnten Popularität. Barack Obama ließ sich eigens von einem „Behavioral Sciences Team“ beraten. Und auch die deutsche Bundesregierung scheint sich dem Thema zu öffnen. Richard Thaler, einer der Pioniere der Szene, wurde 2017 mit sogar dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet. Der Ansatz: kognitive Irrtümer erkennen und zu einer besseren – weil rationalen – Entscheidung kommen.
Über 260 kognitive Irrtümer wurden bis heute benannt und anhand verschiedener Lebensbereiche untersucht. Wir nutzen etwa Details, um Allgemeingültiges zu bestimmen; wir können Dinge nicht loslassen, in die wir bereits Zeit investiert haben; wir vereinfachen Wahrscheinlichkeiten, um sie verständlicher zu machen; wir bewerten Dinge, die uns bekannt sind besser als unbekannte; wir nehmen „Fakten“ selektiv wahr… Die Liste der psychologischen Muster, die zu irrationalen Kurzschlussentscheidungen führen können, ist lang. Es geht darum, diese Irrtümer zu erkennen.
Geoff Donaker und Michael Luca nehmen in ihrem Artikel in der Harvard Business Review Führungskräfte und Unternehmen in die Verantwortung. Sie raten COOs dazu, sich mit typischen kognitiven Irrtümern auseinanderzusetzen und darüber hinaus eine Umwelt zu schaffen, in der die Wahrscheinlichkeit erhöht wird, dass Mitarbeiter richtige Entscheidung treffen („choice architecture“). Doch genau hier liegt die Krux – wie macht man das?
Richard Thaler und andere Verhaltensforscher konnten in vielen Experimenten offenlegen, wie das Verhalten von Menschen verändert werden kann. Beispielsweise hilft es, Entscheidungsmöglichkeiten zu reduzieren. Im Alltag als auch in Arbeitssituationen haben wir keine Zeit, um über jede Handlung tiefergehend nachzudenken. Vieles passiert also im Automatik-Modus. Zu viele Auswahlmöglichkeiten überfordern uns jedoch und führen dazu, dass Menschen schlussendlich gar keine Entscheidung treffen. Eine voreingestellte Standard-Entscheidung hingegen hat meist zur Folge, dass man bei dieser bleibt. Ein Beispiel: In Ländern, in denen jeder Bürger automatisch Organspender ist (Standard-Option = Organspender), ist die Anzahl der Organspender um ein Vielfaches höher als in Ländern, in denen man sich bewusst dazu entscheiden muss (Standard-Option = kein Organspender). Zeit, um die Standard-Option zu ändern, wird in beiden Fällen nur investiert, wenn das Thema persönlich relevant ist. Aus diesem Grund sind „Voreinstellungen“ in Entscheidungsprozessen von großer Bedeutung.
Weitere Beispiele für kognitive Irrtümer:
- Menschen vermeiden das Gefühl von Verlust. Deshalb fällt das Sparen schwer – durch das bewusste Weglegen von Geld hat man das Gefühl, etwas zu verlieren. Große Summen zu sparen ist besonders schwierig, da wir Vergleiche ziehen, um uns selbst den „Verlust“ zu verdeutlichen. Deswegen ist es einfacher, täglich eine kleine Summe (ein Kaffee weniger) zu sparen, als monatlich große Beträge zur Seite zu legen.
- Süßigkeiten werden gegessen, wenn sie da sind. Fehlen die Leckereien, wird das oftmals nicht einmal bemerkt. Wer im Unternehmen statt Süßigkeiten gesundes Essen bereitstellt, fördert die gesunde Ernährung seiner Mitarbeiter.
- Vergleiche und (wahrgenommener) sozialer Druck helfen bei Verhaltensänderungen. Wenn alle Mitarbeiter stromsparend arbeiten oder Überstunden reduzieren, werden es mit der Zeit immer mehr Beschäftigte so machen.
- Um Stereotype oder Vorurteile aus der Welt zu schaffen, konzentrieren Sie sich auf Beispiele des Gegenteils.
- Menschen neigen dazu, eigene Leistungen als wertvoller anzusehen, als diejenigen anderer Menschen. Ein gutes Feedback-System kann helfen, sich nicht zu sehr in Details zu verstricken.
In der Wissenschaft werden diese Anstupser für Verhaltensänderung „Nudges“ genannt. Sie sollen Menschen zur (vermeintlich) langfristige besseren Entscheidung verhelfen und damit Entscheidungs-Energie sparen. In der Praxis ist die beste Entscheidung oft Ergebnis komplexer Abwägungsprozesse in individuellen Situationen. Dennoch lohnt es sich, die psychologischen Muster zu kennen und damit sowohl menschliche Entscheidungen besser nachvollziehen zu können, als auch diese besser hinterfragen zu können.
Quellen:
https://hbr.org/2017/10/why-coos-should-think-like-behavioral-economists
https://hbr.org/2017/12/building-behavioral-science-capability-in-your-company?referral=03759&cm_vc=rr_item_page.bottom & tbd.
Ideen für Nudges, die Spaß machen: www.thefuntheroy.com