Unternehmen kommen heute an Transparenz, Selbstorganisation, Selbstverantwortung und Agilität nicht mehr vorbei. Das Gebot unserer Zeit heißt: Strukturen zugunsten offener Abteilungen aufbrechen und interdisziplinäre Teams aufbauen. Die Ziele des gesamten Unternehmens und nicht der einzelnen Abteilungen sollen in den Fokus. Eine Zeitenwende. Denn Arbeit in Organisationen ist jahrzehntelang geprägt durch feste Strukturen, Hierarchien und Kontrolle. Klar abgegrenzte Funktionen, Bereiche und Abteilungen mit homogenen Teams und fest zugeordneten Vorgesetzten bestimmen den Takt. Arbeiten im „Silo“ bezeichnet abschätzig diese Organisationsweise. Doch das Silo hat keine Zukunft. Es steht für die alte Welt. Silos sind Bremsklötze und behindern agiles Arbeiten. Wirklich?
Seit Jahrhunderten gehören Silos zu den charakteristischen Gebäuden landwirtschaftlicher Betriebe. Sie dienen als Vorratsspeicher für geerntete Feldfrüchte. Sie sind optimal geeignet für die Lagerung von Futtermitteln, Mineralstoffen oder Getreiden. Bauern konservieren in Silos, was sie im Winter an ihre Tiere verfüttern. In der Industrie haben Silos eine noch größere Bedeutung und sind in der gesamten Lebensmittelindustrie, der Chemieindustrie, der Zementproduktion oder im Recycling vertreten. Es gibt sie als Außensilos, Innensilos, mobile und temporäre Silos, ja sogar Fahrsilos.
Im übertragenen Sinne schützen auch organisationale Silos das Abteilungswissen und die Bereichsexpertise von Unternehmen. Im Silo wird Spezialwissen konserviert. Die Produktentwicklung in der IT weiß wie Programmierung funktioniert, genauso wie ein Klempner am besten weiß wie man eine Wasserleitung repariert. Fachfrauen und Fachmänner einer Fachrichtung bilden Fähigkeiten, Kompetenzen und Verhaltensweisen aus, die als Muster jeweils zweckgebunden sind. Der Nachteil expertenorientierter Silos ist zugleich ihre Anfälligkeit für „Betriebsblindheit“ und ihr Blick auf das Einzelne und weniger das ganze System. Zudem existieren Silos eher nebeneinander und nicht komplementär. Dennoch ist es ein Wert an sich, wenn sich Mitarbeiter auf ihrem Gebiet richtig gut auskennen. Wenn sie wissen, was sie tun. Es kommt deshalb auf das perfekt Zusammenspiel an und das „Ausspeichern“ von spezifischen Wissen bestmöglich zu koordinieren. Durch die Kombination von Expertise verschiedener Fachgebiete kann eine tiefe Spezialisierung und damit wertvolle unternehmerische Kompetenz aufgebaut werden. Diese inhaltliche Tiefe kann ein interdisziplinäres Teams nur selten erreichen.
Es geht in modernen Netzwerkorganisationen deshalb nicht darum, Silos abzubauen – sondern die Verbindungen zwischen ihnen auszubauen und zu verstärken. Sind die Pfade zwischen einzelnen Knotenpunkten zu lang, fließen Informationen zu langsam, sind die Informations- und Entscheidungswege zu verkürzen und fachliche Silos untereinander stärker zu verknüpfen.