In einer vernetzten, globalen Welt gelten Organisationen und Individuen als erfolgreich, die in der Lage sind, kooperativ zu handeln, den gemeinsamen Erfolg über den eigenen zu stellen, einen Sinn für Intuition haben und verstehen, dass Zusammenhänge selten einfach kausal, sondern komplex und damit abhängig von vielen Variablen sind.
Schon lang ist erwiesen: Die linke Gehirnhälfte des Menschen ist zuständig für rationale Prozesse, wie Denken und Analytik. Die rechte Hälfte hingegen steuert Intuition, Kreativität, Emotionen. Aktuelle neurowissenschaftliche Erkenntnisse legen nun den Schluss nahe, dass weibliche Gehirne die beiden Gehirnhälften besser miteinander vernetzen, als es in männlichen Denkzentren der Fall ist. Sie scheinen dadurch komplexer zu funktionieren und verarbeiten Informationen insofern anders, als dass sie viele verschiedene Informationen zur gleichen Zeit abscannen und verarbeiten können. Was genau diese Unterschiede für das Denken und Handeln bei Männern und Frauen bedeuten, kann nur vermutet werden, wissenschaftlich belegt sind sie bisher nicht.
Ohne sich zu sehr auf (mögliche) Unterschiede zwischen Männern und Frauen zu konzentrieren, ist dennoch auffällig, dass die oben beschriebenen Attribute der „neuen“ Welt in erster Linie als weibliche Stärken gesehen werden – unabhängig davon, ob sie nun biologisch oder über Erziehung begründet werden. Das weibliche Gehirn könnte einen Erklärungsansatz dafür bieten, denn es zeichnet sich durch Komplexität und Vernetzung unterschiedlicher Kompetenzfelder aus. Narzisstische Alleingänger, Ellbogenkultur, das Denken in unflexiblen Plänen sind keine Lösungsansätze mehr. Komplexe oder gar chaotische Systeme und Prozesse verlangen nach Austausch, Zusammenarbeit und mehr Intuition – Attribute, mit denen vorrangig das weibliche Gehirn arbeitet.
Aufgabe von Führungskräften ist es, die Organisation und deren Mitarbeiter genau in diesen Fähigkeiten zu stärken. Dazu braucht es kommunikative und soziale Kompetenz. Es gilt zu erkennen, was das Team benötigt – fachlich und emotional – um arbeitsfähig und erfolgreich zu sein. Könnte es sein, dass im Durchschnitt mehr Frauen genau diese Kompetenz verstärkt mitbringen als Männer? Könnte es Frauen leichter fallen, Entscheidungen partizipativ zu gestalten? Ist es möglich, dass Frauen der Umgang mit Komplexität einfacher gelingt, da das Denken bereits im Gehirn so angelegt ist?
Der Wunsch nach mehr Diversität und Gender-Ausgleich ist in vielen Unternehmen bereits vorhanden. Vielleicht ist es jedoch nötig, noch tiefgehender darüber nachzudenken, inwiefern „weibliche Attribute“ eine Organisation bereichern oder gar überlebensfähiger machen können und an welchen Stellen man diese gezielt einsetzen sollte.
Autorin: Kristin Hollmann
Für mehr Informationen zu neurowissenschaftlichen Themen lohnt sich z.B. ein Blick in das Paper von Ingalhalikar et al. „Sex differences in the structural connectome of the human brain“: http://www.pnas.org/content/111/2/823.full oder eine kurze Zusammenfassung auf Spiegel Online: http://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/hirnforschung-maenner-und-frauen-sind-anders-verdrahtet-a-936865.html .