Mit einem neuen Selbstverständnis startet die Bayern LB in die Zukunft. Bei der großen Mitarbeiterveranstaltung im Münchner Congress Center schwor Vorstandschef Johannes-Jörg Riegler seine Mitarbeiter auf die Werte der Bank ein – aber das war nur der Auftakt
München, April 2015. Jetzt nur keine Aufregung. Bloß nicht nervös wirken. Während die junge Frau nach vorne geht, wiederholt sie in Gedanken, was Sie über das Verhalten von Vorträgen gelernt hat: Stehe mit beiden Beinen fest auf dem Boden. Zappele nicht herum. Halte den Blickkontakt zum Publikum. Anna-Maria Rettinger, Account Managerin, 25 Jahre alt, tritt ans Rednerpult. Ihr gegenüber: die sechs Vorstände und 40 Bereichsleiter der Bayern LB, die gesamte Führungsriege ihres Arbeitgebers. Die junge Frau atmet noch einmal tief durch, dann beginnt sie zu sprechen. Über Leidenschaft. Über Begeisterung. Und auch darüber, wie wichtig der Spaß am Beruf ist – für einen persönlich und für den wirtschaftlichen Erfolg eines jeden Unternehmens.
Fast ein Jahr später, am 14. April 2015, sitzt Anna-Maria Rettinger nun selbst im Publikum. Vorne auf der Bühne steht ihr oberster Chef und spricht über Begeisterung. Über Professionalität, Leistungsbereitschaft, Teamgeist, Verlässlichkeit und Verantwortung. Jene sechs Werte, die das neue Selbstverständnis der Bayern LB auszeichnen sollen. Doch diesmal ist die Runde sehr viel größer als damals auf der Führungskräfte-Tagung in Berchtesgaden, auf der Rettinger ihren Vortrag hielt. Rund 2.700 Mitarbeiter der BayernLB sind ins internationale Congress-Center in München gekommen, um ihrem Vorstandsvorsitzenden Johannes-Jörg Riegler zuzuhören. Es ist die erste Mitarbeiterveranstaltung seit sechs Jahren – und eine der wichtigsten, die das Unternehmen je einberufen hat. Denn heute geht es um nichts geringeres, als die Mannschaft auf ein gemeinsames Ziel einzuschwören – nach sechs Jahren im Krisenbewältigungmodus.
„Wir müssen den Blick jetzt endlich nach vorne richten“, sagt Riegler. „Wer immer nur über Fehler und Altlasten spricht, wird irgendwann depressiv und kommt nicht zurück auf die Erfolgsspur. Aber genau das ist es was wir wollen.“ Gleich nach seinem Amtsantritt im vorigen Jahr hatte der Vorstandsvorsitzende Rettinger und 14 weitere Kollegen eingeladen, am neuen Selbstverständnis der Bank mitzuwirken. Denn um ein solches Selbstverständnis entwickeln zu können, muss zunächst einmal alles auf den Prüfstand gestellt werden. Ist das Unternehmen innovativ genug? Denken die Mitarbeiter wie Unternehmer oder hat das vermeiden von Fehlern höchste Priorität? Ziehen alle an einem Strang oder fehlt das Wir-Gefühl?
„Bei meinen Gesprächen mit den Mitarbeitern habe ich viel positives gespürt“, sagt Riegler. „Mir ist aber auch aufgefallen, das es eine große Distanz der Bank gegenüber gibt. Das kannte ich in dieser Form nicht. Natürlich gibt es in jedem Unternehmen immer eine gewisse Unzufriedenheit, aber hier ist der Graben besonders tief und breit gewesen.“ Riegler weiß, wie wichtig die Unternehmenskultur für den wirtschaftlichen Erfolg ist, gerade in Bankensektor, der seit der Finanzmarktkrise massiv an Vertrauen verloren hat. Denn wie sollen die Kunden Vertrauen zu einem Unternehmen aufbauen, wenn selbst die eigenen Mitarbeiter auf Distanz gehen. „Wir als Bayern LB brauchen deshalb eine Kultur, in der alle gerne arbeiten, die uns motiviert, Talent heranzieht und die nicht zuletzt unsere Kunden überzeugt und bei Ihnen den unterschied zu anderen Banken ausmacht“, sagt Riegler. Doch wie verändert man eine Mentalität, die über Jahrzehnte gewachsen ist? Klar ist: nachhaltige Veränderungsprozesse müssen von oben angeschlossen werden. Sie müssen aber auch von innen kommen – aus der Mitte der Belegschaft. Deshalb hat Riegler das Team aus 15 Mitarbeitern initiiert. Deshalb gibt es die große Betriebsversammlung heute.„Mitarbeiterveranstaltung klingt ein bisschen so, als wäre das hier eine Veranstaltung des Vorstands für Sie, aber so ist es nicht“, sagt Riegler. „Mitarbeiter sind wir alle, ob Auszubildender oder Mitglied des Vorstands, Tarifmitarbeiter oder Teamleiter.“
Auch deshalb legte er von Anfang an größten Wert darauf, den 15 der Kreis mit Mitarbeitern aus unterschiedlichen Konzernbereichen zu besetzen, etwa mit Personalern, Kundenbetreuern oder Kollegen aus der Kommunikation und dem Marketing. Menschen, die auf unterschiedlichen Hierarchiestufen arbeiten, noch am Anfang ihrer Karriere stehen oder bereits ganze Bereiche leiten. Perspektiven und Meinungsvielfalt mit dem Ziel das beste Ergebnis zu erzielen. Im Juli 2014 stellte das 15er Team seine ersten Ergebnisse bei der Führungskräfteklausur in Berchtesgaden den Bereichsleiter und Vorständen vor. Hier hielt Anna-Maria Rettinger ihren Vortrag über Begeisterung. Und die zeichnet sie heute, ein Jahr später, sogar noch eine Spur mehr aus: die aufrichtige Begeisterung für ihren Arbeitgeber und dieses Projekt. „Wir haben jetzt die Möglichkeit unseren Arbeitsplatz mit zu gestalten, Prozesse zu verbessern und wirksam wirklich etwas zu verändern“, sagt sie.
2008 stieg Rettinger als Auszubildender ins Unternehmen ein. Heute arbeitet sie als Account Managerin der Abteilung Corporate Banking. „Nein, bei der BayernLB ist eben nicht alles schlecht“, sagt sie. „Ich arbeite sehr gerne hier. Ellenbogenmentalität? Keine Spur. Das sind alles Dinge, auf die wir stolz sein sollten und auf denen wir jetzt aufbauen können, um uns noch weiter zu verbessern.“ Das setzt Transparenz und Offenheit voraus. Und deshalb hatten im August und September 2014 auch alle anderen Angestellten der Bayern LB die Möglichkeit, ihre Meinung zu sagen. Rund 1.200 Mitarbeiter nutzten die Chance und nahmen an einer Onlinebefragung teil, bei der sie ihren Arbeitgeber bewerteten. Zwar bescheinigten sie der Bayern LB gute Noten im Bereich Verlässlichkeit und Kompetenz. Doch viele nutzten die Gelegenheitauch, um Dampf abzulassen. Wir sind langsam, weil wir zu bürokratisch arbeiten, lauteten einige Kommentare. Und: Wir sollten nicht immer alles mit jedem abstimmen, sondern einfach mal machen. „Diese Kritik empfand der 15er Kreis aber keineswegs als Rückschlag. Im Gegenteil. Das hat uns gezeigt, wie sehr sich unsere Kollegen mit den Werten auseinandersetzen und wie wichtig es Ihnen ist, sich einzubringen“, sagt Andreas Blank, der seit sieben Jahren die Personalentwicklung der Bayern LB leitet. „Das hat uns Mut gemacht, das neue Selbstverständnis mit Leben zu füllen.“
Erste Maßnahme: die optische Auffrischung der Marke, ohne mit der Vergangenheit radikal zu brechen. „Das war auch gar nicht nötig“, sagt Jan Stechele, „ebenfalls Mitglied des 15er Kreises und Leiter des Strategischen Marketings der Bayern LB. „Das Geschäftsmodell und die Marke kommen noch immer sehr gut bei unseren Kunden an – trotz der negativen Berichterstattung in den vergangenen Jahren.“
Die Bildmarke in Rautenform und der Name BayernLB blieben deshalb unangetastet. Trotzdem war es Zeit für eine Modernisierung: Internetauftritt, Zeitungsanzeigen, Broschüren, Einladungskarten, Produkt Flyer und Messestände kommen jetzt in einem neuen optischen Gewand daher. „Wir wollten die Dynamik, die unsere Werte Begeisterung und Leistungsbereitschaft ausdrücken, auf das Design übertragen und damit demonstrieren, dass wir gut für die Zukunft aufgestellt sind“, sagt Stechele. Das ist keine bloße Behauptung, sondern von Fakten untermauert. 17 Jahre halten die Großkunden der Bayern LB dem Haus im Schnitt die Treue. Eine Basis, die Riegler als größten Wettbewerbsvorteil preist und als einen Beitrag dafür, dass es nach sechs Jahren Krisenbewältigungsmodus nun endlich an der Zeit sei, wieder nach vorne zu blicken. Den neuen Slogan „Die bayerische Bank für die deutsche Wirtschaft“ übersetzt der Vorstandsvorsitzende aus der Mitarbeiterveranstaltung im ICM so: „Bayern steht für Stabilität und Qualität Bodenständigkeit und Leistung, Modernität und Selbstbewusstsein. Wir, als einzig wirklich bayerische Bank, wollen diesen Ansprüchen gegenüber Kunden Anteilseignern und der Gesellschaft gerecht werden.“
Ohne engagierter Mitarbeiter geht das nicht. „Die große Mehrheit hier im Raum will den Erfolg dieser Bank“, sagt Riegler. „Die meisten von ihnen sind bereit, sich ins Zeug zu legen und die notwendigen Veränderungen mitzutragen.“ Deshalb gibt es nach der Talkrunde mit allen Vorstandsmitgliedern einen symbolträchtigen Akte im Foyer, wo eine große Wand aufgestellt ist. Riegler selbst hat darauf bereits unterschrieben und sich mit dem neuen Selbstverständnis verpflichtet. Jetzt folgt ihm der Rest der Mannschaft – bis keinen Fingerbreit Platz mehr zwischen den unzähligen Unterschriften bleibt. „Es ist gut, dass wir uns auf ein gemeinsames Selbstverständnis einigen“, sagt Michael Strecker von der Bayern Laber, nachdem er seinen Namen in eine der letzten freien Flecken gequetscht hat. „Aber noch viel entscheidender ist, dass diese Werte jetzt auch nachhaltig ins Haus transportiert werden.“ Die Mitarbeiterveranstaltung war deshalb auch nur ein Anfang. Bereits am 7./ 8. Mai trafen sich die Bereichsleiter der Bank zum zweiten Mal in Berchtesgaden. Gemeinsam mit den Abteilungsleitern werden sie pro Abteilung nun einen Mitarbeiter benennen, der zum so genannten Kulturbotschafter ausgebildet wird und mit Kollegen aus jeweils fremden Abteilungen das offene Gespräch suchen soll. Wo liegen die Probleme? Was kann verändert werden? Wie lässt sich der Arbeitsablauf optimieren? In zweistündigen Workshops sollen die etwa 180 Kulturbotschafter gemeinsam mit den Abteilungen nach Lösungen suchen. Bald geht es los damit. „Wir würden uns wünschen, dass die in diesen Workshops 2-3 konkrete Maßnahmen entwickelt werden“, sagt Personalentwickler Blank. „Eine solche Maßnahme könnte zum Beispiel sein, sich Regeln für effizientere und kundenorientiertere Prozesse zu überlegen und einzuführen. Als Diplom-Psychologe beschäftigt er sich seit 20 Jahren mit Veränderungsmanagement. Wenn er davon spricht, dass er sich von den Mitarbeitern etwas wünscht und nicht etwa fordert, dann, weil er fest davon überzeugt ist, dass eine neue Unternehmenskultur nicht einfach von oben vorordnet werden kann. Jeder muss seinen Teil dazu beitragen wollen, sagt er. Wir als Führungskräfte müssen Freiräume schaffen, selbst Verantwortung ermöglichen und Leistung einfordern, diese transparent bewerten und differenziert honorieren.
Die Kultur, also die DNA eines Unternehmens, zu verändern, ist ein langer Prozess und harte Arbeit. Dessen ist sich auch Johannes-Jörg Riegler bewusst. Aber, sagt er, er verlange nichts, was er nicht auch von sich selbst verlangt: „Ich bin nicht hierhergekommen, um morgen wieder weg zu sein. Darauf können sich die Mitarbeiter verlassen. Wenn man mich lässt, bleibe ich noch ziemlich lange hier.“
Autorin: Beata Cece
Quelle: Pluspunkt. Das Mitarbeiter Magazin der BayernLB